Full text: Theorien der Chemie

geben sie die Verbindungen (HCl) 2 =PtCl 4 und HCl = AuCl 3 , welche alle 
charakteristische Säuren von bedeutender Stärke sind. 1 ) Dies entspricht dem 
Verhalten des durch Doppelvalenzbindung entstandenen NH 4 C1, welches aus 
dem wahrscheinlich nichtleitenden NH 3 stammt. Alle Verbindungen, welche 
durch Bindung zweier Ionen an eine Doppelvalenz entstehen, zeichnen sich 
als gute Elektrolyte aus, d. h. dissoziieren leicht ein oder mehrere Ionen 
(Metalle oder Wasserstoff) ab, während die an NH 3 oder seine Derivate 
und Analogen gebundenen Reste das Anion abgeben. 
PtCl 4 kann ebenfalls durch seine zwei Doppelvalenzen die zwei Doppel- 
Valenzen von zwei Ammoniakmolekülen binden. Das Produkt UTTT 3 Pt CD 
NH 3 = = 
ist nichtleitend. Addiert man aber noch ein Ammoniak, schiebt dasselbe sich 
zwischen einem Chlor und dem Platinatom und es entsteht ein Chlorammo 
nium, in welchem ein H durch das Atomkomplex (NH 3 ) 2 PtCl 3 ersetzt ist. 
Dieses Derivat des Chlorammoniums zerfällt in ähnlicher Weise wie dieses in 
ein Chlorion und den Rest, es leitet ungefähr wie NH 4 C1. Es können noch 
weitere Moleküle von Ammoniak zwischen den Chloratomen und dem Platin 
geschoben werden, die Leitfähigkeit steigt dabei stetig bis das Salz 
(NH 3 ) 2 Pt(NH 3 ) 4 Cl 4 entstanden ist, wie Werner näher nachgewiesen hat. In 
ähnlicher Weise gibt es nichtleitendes (NH 3 ) 3 CoCl 3 und die immer besser 
leitenden Verbindungen (NH 3 ) 3 CoC1 2 NH 3 C1 bis (NH 3 ) 3 Co(NH 3 ) 3 Cl 3 . Auffallend 
ist es, daß hierbei die „Koordinationszahl“ 6 eine Rolle spielt, indem nach 
Werner das Platin oder Kobalt-Atom oder andere Atome der Schwermetalle 
in ähnlichen Verbindungen von höchstens sechs Ammoniak oder Ammoniak 
ersetzende Moleküle umgeben sein können. 
Weiter weist der Stickstoff im Ammoniak und allen seinen Substitu 
tionsprodukten einschließlich Harnstoff typische Doppelvalenz in wirksamster 
Form auf. Salze mit „Kristallammoniak“ spalten Ammoniak als Dampf un 
gefähr nach denselben Regeln ab wie kristallwasserhaltige Salze das W’asser. 
Dem Ammoniak ähnlich verhalten sich in vielen Fällen die entsprechenden 
Verbindungen des Phosphors, Arsens, Antimons und Wismuts. Weiter bilden 
bekanntlich die Fluoride, Chloride, Bromide, Jodide, Cyanide und Sulfo- 
cyanide molekulare Verbindungen in großer Anzahl. Schon um die Sauer 
stoffverbindungen der Haloide erklären zu können, hat man ihnen Sieben 
wertigkeit gegeben. Im allgemeinen bemerkt man, daß die Doppelvalenzen 
der Salzbildner dazu neigen, sich an Doppelvalenzen gleicher Atome zu 
binden. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß bei genau gleichem Ab 
stand der Ladungen in den beiden Molekülen eine enge Verbindung leichter 
stattfinden kann. 
1 ) Kohlrausch, Zeitschr. f. physikal. Chemie 33, 257, 1900.
	        
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