Full text: Theorien der Chemie

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geringere Energiemenge, so könnten sie dieselbe nicht in Form von Licht 
von der betr. Wellenlänge ansgeben. 
Die kinetische Gastheorie gibt eine einfache Erklärung für einige 
höchst interessante Beobachtungen, die die Gasatmosphären der Himmels 
körper betreffen. Johnstone Stoney hat auf die Tatsache aufmerk 
sam gemacht, daß ein Körper, der sich mit einer Geschwindigkeit von 
11,2 km p. sec. aufwärts bewegt, von der Schwerkraft der Erde nicht 
mehr in ihrer Nähe zurückgehalten werden kann, sondern ins unendliche 
fliegen würde, wenn man von der anziehenden Wirkung der Sonne absieht. 
Die entsprechende kritische Geschwindigkeit ist auf dem Monde 2 km p. sec. 
und auf der Sonne 613 km p. sec. Nun bewegen sich, wie wir gesehen 
haben, die Wasserstoff-Moleküle bei 0°C mit einer mittleren Geschwindig 
keit von 1,828 km p. sec. Auf der Mondoberfläche ist die höchste Tem 
peratur etwa 150° C (im Zentrum des Vollmonds), die Geschwindigkeit 
der Wasserstoff-Moleküle wäre dort etwa 2,33 km p. sec., d. h. sie würde 
den kritischen Wert überschreiten. Daher muß der Wasserstoff von diesem 
Punkte der Mondoberfläche verschwinden, und da Wasserstoff frisch nach 
diffundiert, solange noch welcher vorhanden ist, so hat der Mond, wenn sich 
je Wasserstoff auf ihm befunden hat, diesen schnell verlieren müssen. Zu 
ähnlichen Schlüssen kam früher auf einem ähnlichen aber etwas abwei 
chenden Wege Ritter in seinen klassischen Untersuchungen über gas 
förmige Weltkörper. 1 ) 
Dieselbe Überlegung läßt sich auf den Sauerstoff anwenden. Die 
Geschwindigkeit seiner Moleküle ist etwa den vierten Teil so groß, wie 
die der Wasserstoffmoleküle, bei 150° C also etwa 0,58 km. Das ist nur 
0,29 der kritischen Geschwindigkeit. Aber nach Maxwells Verteilungs 
gesetz haben etwa 0,03 °/o der Sauerstoff-Moleküle eine höhere Ge 
schwindigkeit als die kritische, und im Laufe der Zeit hätte auch der 
Sauerstoff von der Oberfläche des Mondes verschwinden müssen. Dasselbe 
gilt für den Stickstoff und, in etwas geringerem Maße, für das Argon. Es 
ist daher nicht zu verwundern, daß wir keine Spur von Atmosphäre auf 
dem Monde finden. (Kohlensäure, die ursprünglich auf dem Mond vor 
handen gewesen sein mag, mag im Laufe der Zeiten durch den Ver 
witterungsprozeß absorbiert worden sein). 
Wir können jetzt dieselbe Überlegung auf die Erdatmosphäre an 
wenden. Wir wissen aber, daß die Temperatur in den höheren atmo 
sphärischen Schichten viel niedriger als an der Erdoberfläche ist, und 
x ) Ritter, Wiedemauns Annalen 1878—1882.
	        
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