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Später wurden noch viele andere katalytische Reaktionen studiert, besonders
von Ostwald, van’t Hoff, Bredig und ihren Schülern 1 ).
Von den untersuchten Reaktionen dürfte diejenige der Zersetzung
des Äthyldiazoacetats bei Anwesenheit von Wasserstoffionen vielleicht eine
praktische Bedeutung für die Bestimmung der Konzentration dieser Ionen
haben, da diese von Bredig und Fraenkel studierte Reaktion in bezug auf
die Menge der H-Ionen äußerst empfindlich ist, etwa 12000mal empfind
licher als die Rohrzuckerinversion * 2 3 ).
Der einfachste von allen chemischen Prozessen, die Auflösung eines
festen Körpers in einer Flüssigkeit verläuft nach Noyes und Whitney 2 ’),
wie die Rohrzuckerinversion, indem die Auflösungsgeschwindigkeit dem so
genannten Sättigungsdefizit, d. h. dem Unterschied der Konzentration einer
gesättigten Lösung und derjenigen der gerade vorliegenden Lösung pro
portional ist. Dabei wird vorausgesetzt, daß die zu lösende Substanz in so
großem Überschuß vorhanden ist, daß ihre Oberfläche als von konstanter
Größe während der Versuchszeit angesehen werden kann. Die Verdampfung
einer Flüssigkeit verläuft, wie längst bekannt, nach einem ähnlichen Gesetz,
welches der Berechnungen der Feuchtigkeit der Luft mit Hilfe von Psychro
metern zugrunde liegt. Nach der Analogie zwischen Gasen und Lösungen
(vgl. Kap. 12) ist diese Ähnlichkeit der Gesetze zu erwarten.
Viele organische Körper zerfallen relativ schnell besonders bei höherer
Temperatur. In den meisten Fällen geschieht das nach dem Wilhelmysehen
Gesetz. Solche Fälle sind in großer Menge bei den Fermenten und anderen
Körpern, welche in der Immunitätslehre eine Rolle spielen, von Madsen und
seinen Schülern untersucht worden 4 ). Auch die Inversion von Rohrzucker
durch Invertin und analoge Prozesse folgen demselben Gesetz 5 ).
In den Jahren 1862—1863 führten Berthelot und Pean de St.
Gilles eine Untersuchung über die Esterbildung aus organischen Säuren
und Alkoholen aus. Hier liegt ein sehr interessanter Fall chemischen Gleich
gewichtes vor. Wenn z. B. äquivalente Mengen Äthylalokohol und Essig
säure zusammengebracht werden, so verwandeln sie sich zu zwei Dritteln
in Äthylacetat und Wasser, und umgekehrt, wenn äquivalente Mengen Äthyl
0 Vgl. G. Bredig’, Altes und neues von der Katalyse, Biochemische
Zeitschr. 6, 283, 1907.
2 ) Bredig und Fraenkel, Zeitschr. f. Elektroch. 11, 525, 1905. H. W.
Fraenkel, Inauguraldiss. Heidelberg 1906.
3 ) Noyes und Whitney, Zeitschr. f. phys. Ch. 23, 689, 1897.
4 ) Vgl. Arrhenius, Immunochemie, Kap. 3, Akad. Verlagsgesellschaft.
Leipzig 1907.
ö ) Hudson, Journ. Amer. Chem. Soc. 30, 1160 und 1564,1908.