Full text: Theorien der Chemie

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13. Kapitel; Elektrolytische Dissoziation. 
Die gelösten Elektrolyte verhalten sich genau wie die Körper mit 
zu hohem Dampfdruck, z. B. NH 4 C1, deren Verhalten wir durch die An 
nähme erklärt hatten, daß sie bis zu einem bestimmten Grade dissoziiert 
sind. Wir könnten versuchen, ob sich nicht auch die Ausnahmen vom 
van’t Hoffschen Gesetze durch die Annahme einer partiellen Disso 
ziation erklären lassen. Wir haben gesehen, daß die Moleküle der Elek 
trolyte in zwei Arten, inaktive und aktive Moleküle, getrennt gedacht 
werden können, und daß die letzteren dadurch charakterisiert sind, daß 
sie ihre Ionen austauschen, was an die Erscheinung der Dissoziation er 
innert. Es ist möglich, die Zahl der aktiven Moleküle in einer Lösung, 
z. B. der normalen Lösung von Chlornatrium, zu berechnen. Zu diesem 
Zweck vergleichen wir die Leitfähigkeit eines Gramms NaCl in dieser 
Lösung mit der Leitfähigkeit eines Gramms bei sehr hoher Verdünnung. 
Der Quotient gibt die relative Anzahl aktiver NaCl-Moleküle an oder, 
wie wir auch sagen könnten, den Dissoziationsgrad. Dieser Dissoziations 
grad, berechnet aus den Messungen von Kohlrausch, 1 ) ergibt sich zu 
0,75. Wenn wir diesem Gedankengang folgen, müssen wir also annehmen, 
daß die 1-normale NaCl-Lösung nur 0,25 Gramm-Moleküle NaCl, dagegen 
0,75 Gramm-Moleküle Na und die gleiche Anzahl Gramm-Moleküle CI, in 
Summa 1,75 Gramm-Moleküle enthält. Nun ist der Gefrierpunkt einer 
normalen Lösung nach van’t Hoffs Gleichung — 1,85° C. Wir müssen 
eine Erniedrigung des Gefrierpunktes des Wassers (0°C) erwarten, die 
1,75 mal größer als die berechnete ist, das ist 1,75 • (—1,85) = — 3,26° C. 
Das ist nun genau der Gefrierpunkt einer normalen NaCl-Lösung. 
In derselben Weise prüfte ich * 2 ) (1887) die Lösungen aller Substanzen 
nach, von denen Raoult den Gefrierpunkt bestimmt hatte und deren 
Leitfähigkeit bekannt war. Es waren etwa 90 an der Zahl. In beinahe 
allen Fällen fand ich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen dem be 
rechneten und dem beobachteten Wert des Gefrierpunktes und damit schien 
bewiesen, daß die elektrolytisch leitenden Substanzen in ihren wässerigen 
Lösungen weitgehend dissoziiert sind. In einigen wenigen Fällen, in denen 
zwischen dem beobachteten Wert des Gefrierpunktes und dem aus der 
elektrischen Leitfähigkeit berechneten Divergenz bestand, nahm ich eine 
x ) Kohlrausch, Ann. d. Pliys. u. Ch. (3), 6, 1 und 145, 1879, 26, 161, 
1885, Kohlrausch und Holborn, Leitvermögen der Elektrolyte, Leipzig. 
Teubner 1908. 
2 ) Arrhenius, Z. f. pliys. Ch. 1, 631, 1887.
	        
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