203
und erhärtete sie durch Versuche, daß der Alkohol — z. B. Äthylalkohol —
mit dem H-Ion ein Komplex-ion — z. B. C 2 H 5 OH • H — durch Addition
bildet, und daß dies Ion durch Zusatz von Wasser zerstört wird, wobei
ein Gleichgewicht stattfindet nach der Gleichung:
C 2 H 5 OH • H + H 2 0*Z^ H 2 0 • H + C 2 H 5 OH.
Das Komplexion C 2 H 5 OH-H reagiert mit der Säure. Ähnliche Verhältnisse
hat Fraenkel (1. c.) bei dem Zerfall des Äthyldiazoazetats gefunden, Gold
schmidt und Acree 1 ), bei dem Alkylierungsprozeß, Lap worth * 2 ) bei der
Bromierung von Ketonen, der Umwandlung von Hydrazobenzol in Ben
zidin und Kailan 3 ) beim Esterifizierungsprozeß gefunden.
Eine sehr interessante Anwendung der elektrolytischen Dissoziations-
Theorie, verdankt man Nernst 4 ), nämlich die Berechnung der Diffusions-
Geschwindigkeit. Nach van’t Hoffs Anschauungen beruht die Diffusion
auf den Unterschieden des osmotischen Druckes der Ionen in Lösungen
verschiedener Konzentration. Wenn wir die Reibung kennen, die die Ionen
bei der Bewegung im umgebenden Wasser erleiden, müssen wir also die
Diffusionskoeffizienten berechnen können, da uns die Theorie van’t Hoffs
und die elektrolytische Dissoziationstheorie die Gesetze des osmotischen
Druckes in Salzlösungen übersehen lassen. Aus elektrischen Messungen,
von Kohlrausch und anderen, die die Leitfähigkeit von Lösungen be
stimmten, kennen wir nun die Geschwindigkeit, mit der sich die Ionen
unter dem Einfluß bekannter elektrischer Kräfte bewegen, und aus diesen
Versuchen berechnete schon Kohlrausch die Reibung der Ionen im
Wasser bei verschiedenen Temperaturen.
Nernst brauchte nur den Quotienten zu bilden aus dem osmo
tischen Druck und der Summe der Reibungen der beiden Ionen des be
treffenden Salzes, so erhielt er den Diffusionskoeffizienten dieses Salzes
bei äußerster Verdünnung. Die experimentellen Bestimmungen der Dif-
fusionskoeffizienten beziehen sich nicht auf so stark verdünnte Lösungen,
so daß eine gewisse Differenz zwischen den beobachteten und berech
neten Werten vorhanden ist; die berechneten sind im allgemeinen etwas
höher. So z. B. sind die beobachteten und berechneten Werte bei 18° C
für HCl 2,30 und 2,43, KOH 1,85 und 2,07, NaCl 1,08 und 1,17, LiCl 0,99
und 0,99. Die Übereinstimmung ist so gut wie man erwarten kann, und es
4 )Acree, Journ. Am. Chem. Soc. 1907 und 1908, Goldschmidt,
Zeitschr. f. Elektroch. 14, 581, 1908, 15, 10, 1909.
2 ) Lapworth, Journ. Chem. Soc. 93, 2187, 1908.
3 ) Kailan, Monatshefte für Chemie, 27, 503,1906, 28, 571 und 1163, 1907,
29, 799, 1908. Ztschr. f. Elektrochemie 15, 106, 1909.
4 ) Nernst, Ztschr. f. physikal. Chemie 2, 613, 1888.