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ist kein Zweifel, daß Nernst mit Hilfe der zwei Theorien der modernen
physikalischen Chemie die richtige Erklärung der Erscheinung gefunden
hat. Auf eine andere Erscheinung, die mit der Diffusion Zusammenhang^
möchte ich noch mit einigen Worten die Aufmerksamkeit lenken, weil sie
sich nach der Theorie der elektrolytischen Dissoziation leicht erklären
läßt und ohne dieselbe ganz unerklärbar erscheint. Wenn ich Chlor-
waserstoffsäure in Wasser löse, und über diese Lösung reines Wasser
schichte, so wird die Lösung nach kurzer Zeit negativ, das Wasser dar
über positiv geladen sein, weil die Bewegung der H-Ionen etwa fünfmal
schneller ist (bei 12° C), als die der Cl-Ionen. Die Diffusionskonstante
von verdünntem HCl ist beobachtet sowohl, wie auch von Nernst be
rechnet zu 2,09 bei 12° C. Wenn keine elektrischen Ladungen vorhanden
wären, die ihren Einfluß geltend machten, so müßte die Diffusionskonstante
der H-Ionen gleich 6,17 sein. Nun habe ich gefunden, 1 ) daß der Zusatz
einer Substanz wie Alkohol oder Rohrzucker, oder auch eines Salzes zu
dem Wasser, in dem die Diffusion vor sich geht, dieselbe immer verzögert,
solange es sich um Nicht-Elektrolyte handelt, die diffundierenden Moleküle
also nicht elektrisch geladen sind. Wenn die Moleküle des HCl nicht
in geladene Ionen dissoziert wären, wäre also mit Sicherheit vorauszu
sagen, daß in einer normalen Chlornatriumlösung die Diffusion von HCl
langsamer vor sich gehen müßte, als in reinem Wasser, und zwar, wie sich
aus anderen Versuchen ergibt, um etwa 9% langsamer.
Aber genau das Gegenteil tritt ein. Die elektrische Ladung zieht nicht
nur die H-Ionen, sondern auch die Na-Ionen zurück; die wirksame Kraft
verteilt sich gewissermaßen auf eine größere Anzahl von Molekülen. Sind
auf ein Molekül HCl n Moleküle NaCl zugegen, so ergibt eine einfache
Rechnung folgende Werte für die Diffusionskonstante K der H-Ionen (wir
sagen der Säure) bei 12° C.
n 0 0,1 0,2 0,5 1 2 5 10 oc
K 2,09 2,20 2,30 2,58 2,96 3,52 444 5,07 6,17.
Wenn die Zahl der NaCl-Moleküle sehr groß wird, so übt die elektrische
Kraft keinen merklichen Einfluß auf die Bewegung der H-Ionen mehr aus,
die Diffusion geht genau so vor sich, als ob keine elektrische Kraft sie ver
zögerte, und K erreicht den Wert 6,17. Bei den Versuchen war ein zylin
drisches Gefäß zu einem Viertel mit einer Lösung gefüllt, die 1,04 Mol. HCl
und in einem Fall 0,1 in einem zweiten 0,67 Mol. NaCl im Liter gelöst
enthielt. Darüber wurden Lösungen von gleichem NaCl-Gehalt, aber frei
von HCl geschichtet, die drei Viertel des Gefäßes einnahmen. Dann wurde
D Arrhenius, Z. f. phys. Ch. 10, 51, 1892.