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aber, daß die Regelmäßigkeit nur bei einer bestimmten Temperatur, etwa
22° C, stattfand, bei niedrigeren Temperaturen müßte man mit einem
größeren Wert von b rechnen, indem bei 0° C die Rohrzuckerlösungen
etwa 8%, die Glukoselösungen 5°/o zu hohen osmotischen Druck gegen
über der Raoultschen Berechnungsweise zeigten. Die Berechnungen von
Noyes, bei welchen a versäumt wird, zeigen, daß b oft ein negatives
Zeichen erhält, was physikalisch sehr schwer zu deuten ist; es ist dann
offenbar vorteilhafter, einen bestimmten Wert dem a der van der Waals-
schen Formel (S. 130) zu geben, der sowohl negativ als auch positiv sein
kann, je nachdem die Anziehung des gelösten Körpers zum Lösungsmittel
oder zu andern Teilen des gelösten Körpers überwiegen. Untersuchungen
über den Wert von b werden vermutlich über die Wasserbindung durch den
gelösten Körper Aufschluß geben.
Es ist interessant zu sehen, wie sich die Reaktionsgeschwindigkeit mit
der Konzentration ändert. Dieselbe ist in der Tabelle unter der Rubrik p
nach Ostwalds Messungen gegeben, die Zahlen beziehen sich auf 25° C
und 0,5 normal HCl-Gehalt. Man sieht, daß p mit der Konzentration n wächst,
aber weit schneller als diese. Der springende Punkt ist, daß die Reaktions
geschwindigkeit, p, der Erniedrigung des Gefrierpunktes, E, oder dem osmo
tischen Druck des gelösten Rohrzuckers proportional ist, wie die Zahlen der
letzten Kolumne zeigen.
Die Reaktionsgeschwindigkeit geht in die Gleichgewichtsgleichung ein
(vgl. S. 147), es wäre daher richtiger, die zwei Faktoren dieser Gleichung
nicht, wie oben geschehen, als Produkte der Konzentrationen der reagie
renden Moleküle oder Ionen zu schreiben, sondern als Produkte ihrer osmo
tischen Drucke.
Die am stärksten dissoziierten Elektrolyte befolgen, wie oben erwähnt,
das Massenwirkungsgesetz nicht, das Ostwald und Bredig für schwache
Säuren und Basen bestätigt haben. Das läßt sich leicht als eine Folge der
Abweichungen verstehen, die die Proportionalität zwischen osmotischem
Druck und Konzentration erleidet. Den Gefrierpunkt einer wässerigen Salz
lösung können wir, solange sie sehr schwach ist, unter der Annahme be
rechnen, daß er proportional der Totalsumme der Ionen und der undisso-
zierten Moleküle sinkt. Aber in höherer Konzentration treten Abweichungen
wie bei Rohrzucker auf, und meistens ist der beobachtete Gefrierpunkt
niedriger als der berechnete. Der Unterschied zwischen den beobachteten
Werten der Gefrierpunktserniedrigung und den aus der elektrischen Leit
fähigkeit berechneten, bleibt, wie Noyes 1 ) festgestellt hat, unterhalb
1 ) Noyes, Z. f. phys. Ch. 26, 699, 1898. Science 20, 599, 1904.