Full text: Theorien der Chemie

Die bisweilen geäußerte Bemerkung, daß diese Tatsachen mit der 
herrschenden Theorie in Widerspruch stehen, ist offenbar wenig begründet. 
Es ist mehrfach beobachtet worden, daß Lösungen in anderen Mitteln 
als Wasser sich ziemlich unregelmäßig verhalten. Am schwersten lassen 
sich einige Befunde von Kablukoff 1 ), Euler 2 ), Godlewski 3 ), Kahlen 
berg und Ruhoff 4 ), Plotnikoff 5 ) und vor allem Lincoln 6 ) deuten, die 
Lösungen gefunden haben, bei denen die molekulare Leitfähigkeit, nach der 
Dissoziationstheorie also die elektrolytische Dissoziation, mit steigender 
Verdünnung scheinbar abnimmt. 
Zu ähnlichen Schlüssen sind Steele, Mc. Intosh und Archibald 7 ) 
gelangt, die Lösungen organischer Verbindungen, wie Äther und Azeton, 
in Halogenwasserstoffen untersuchten, und ebenfalls unter bestimmten Um 
ständen eine „abnorme“ Änderung der molekularen Leitfähigkeit mit der 
Verdünnung fanden. Diese Verfasser zeigen, daß die genannte Abnormität 
erklärlich wird, wenn man annimmt, daß n (2 oder 3) Moleküle der ge 
lösten Körper mit dem Lösungsmittel eine elektrolytisch leitende Ver 
bindung eingehen. Das Gesetz der Massenwirkung verlangt, daß die Zahl 
der dissoziablen Moleküle, ausgedrückt als Bruchteil der gelösten Mole 
küle, mit zunehmender Verdünnung abnimmt, wodurch die gleichzeitige 
Zunahme der molekularen Leitfähigkeit mehr als kompensiert werden 
kann. Diese Erklärungsweise wird auch auf andere ähnliche Messungen 
(von Kahlenberg und Ruhoff und von Plotnikoff) angewendet und 
rechnerisch durchgeführt. Die Untersuchungen können noch nicht als ab 
geschlossen betrachtet werden, indessen zeigen sie jedenfalls, daß der 
scheinbare Widerspruch nicht völlig unlösbar ist. 
Zu ähnlichen Ansichten führen die Arbeiten anderer Forscher. Eine 
Untersuchung über die Leitfähigkeit von HgCl 2 , KCl, KJ und KCN in 
Azetamid durch J. Wallace Walker und F. Godschall Johnson 8 ) 
zeigte nämlich, daß bei den drei letzten Salzen die genannte Abnormität 
statt hat. Die Untersuchung der Wanderung der Ionen scheint darauf hinzu 
weisen, daß dieselben mit dem Lösungsmittel Verbindungen eingehen. 
4 ) Kablukoff, Z. f. phys. Ch. 4, 429, 1889. 
2 ) Euler, Z. f. phys. Ch. 28, 619. 1889. 
3 ) Godlewski, Anz. Ak. Wiss. Krakau 1904. 
4 ) Kahlenberg u. Ruhoff, Journ. phys. chem. 7, 254, 1903. 
5 ) Plotnikoff, Z. f. phys. Ch. 48, 224, 1904. 
6 ) Lincoln, Journ. of phys. chemistry 3, 457, 1899. 
7 ) Steele, Mc. Intosh und Archibald, Trans. Roy. Soc. London. A. 
205, 99, 1905. 
8 ) Walker u. Johnson, Journ. chem. Soc. London 87, 1597, 1905.
	        
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