18
Bestimmungen von Stas, und in neuerer Zeit von Lord Rayleigh 1 ) und
anderen, beweisen mit Gewißheit, daß die Atomgewichte von Chlor und
Sauerstoff nicht mit Pr out s Hypothese in Übereinstimmung gebracht werden
können.
Eine sehr originelle Begründung einer ähnlichen Hypothese hat
vor etwa 30 Jahren Lockyer * 2 ) mit astronomischen Gründen gegeben. Die
Spektren der heißesten Sterne scheinen darauf hinzudeuten, daß dieselben
hauptsächlich aus Wasserstoff bestehen. Andrerseits zeigt das Spektrum
der Sonne und andrer Himmelskörper, die nicht zu der heißesten Stern
klasse gehören, die Wasserstofflinien sehr geschwächt und von den Linien
vieler anderer Elemente begleitet. Nun ist es natürlich, anzunehmen, und
die Annahme wird durch die Spektralanalyse der Sterne bestätigt, daß die
Materie ziemlich gleichförmig im Universum verbreitet ist. Daraus leitet
Sir Norman Lockyer die Idee her, daß bei sehr hoher Temperatur alle
Elemente in Wasserstoffatome zerfallen. Aber die neueren Unter
suchungen scheinen zu zeigen, daß Sterne, die noch heißer als die Wasser
stoffsterne sind, hauptsächlich das neuentdeckte Element Helium enthalten.
In den Gasnebeln des Himmels, welche den Urstoff enthalten sollten, findet
man außer Wasserstoff und Helium noch ein anderes Element, das soge
nannte Nebulium, das durch einige in den Spektren irdischer Körper
nicht wiedergefundene Linien gekennzeichnet ist. Darum scheinen Lockyers
Gedanken nicht durchführbar zu sein. Das Daltonsche Gesetz setzt voraus,
daß die chemischen Elemente nicht ineinander verwandelbar seien, ein
Gesetz, das als dasjenige der „Erhaltung der Elemente“ bezeichnet wird.
Es hat viel Mühe gekostet, bis man soweit kam, daß dieses Gesetz an
erkannt wurde. Die Alchemisten nahmen meistens als selbstverständlich
an, daß die Metalle ineinander verwandelt („trasmutiert“) werden können.
Schon zu Gebers Zeiten (im achten Jahrhundert) traten Zweifel an
der Möglichkeit der Transmutation hervor, wie man aus seinen Be
mühungen diese Zweifel zu widerlegen ersehen kann. 3 ) van Helmont war
ein überzeugter Anhänger der Transmutationslehre. Boyle (1627—1691)
glaubte, daß seine chemischen Elemente aus ein und demselben Urstoff auf
gebaut seien. Zu seiner Zeit trat jedoch der Umschwung in den Ansichten
ein. Die meisten Chemiker sprachen sich im 18. Jahrhundert gegen die
Transmutation aus, und nach Lavoisiers Auftreten war diese Lehre ganz
x ) Rayleigh, Z. f. phys. Ch. 42, 705, 1905.
2 ) Lockyer, Beibl 3, 88 (1879). (Vollständige Übersetzung). Lockyer
hat seine Ansichten in dieser Frage in einer Spezialarbeit „Inorganic Evo
lution“. London 1900 mit grosser Ausführlichkeit entwickelt.
3 ) Vgl. Berthelot: Les origiues de l’alchimie, S. 288. Paris 1885.