Materie. Ich bin deshalb der Meinung, daß es praktischer ist, Daltons
einfache Atomtheorie beizubehalten, als sie durch die in vielen Beziehungen
allerdings sinnreiche Hypothese der Ätherwirbel zu ersetzen.
Wir haben gesehen, daß bei manchen Operationen, z. B. Gefrieren
oder Destillieren einer Mischung, die Anteile, die sich von der Flüssigkeit
scheiden, dieselbe Zusammensetzung wie die Flüssigkeit haben. Solche
Mischungen nennt man hylotrop. Wenn wir uns eine hylotrope Mischung
vorstellen, die, vielen Trennungsoperationen unterworfen, immer ihre
Zusammensetzung beibehält, so würden wir diese Mischung ein chemisches
Individuum nennen. So ist das Wasser ein chemisches Individuum, weil
man es destillieren und frieren lassen kann, dabei die Bedingungen, z. B.
den Druck, beliebig ändern kann, und doch immer wieder das ursprüng
liche Wasser mit denselben unveränderten Eigenschaften zurück erhält.
Aber wenn wir das Wasser auf eine sehr hohe Temperatur, 2000° beispiels
weise, erhitzen, so dissoziert es teilweise in Wasserstoff und Sauerstoff (wie
Deville 1 ) nachgewiesen hat). Dieselbe Spaltung kann mittels des elek
trischen Stromes hervorgebracht werden. Deshalb sagen wir, daß Wasser
eine chemische Verbindung ist. Solche chemische Individuen, welche unter
allen äußeren Bedingungen dieselbe Zusammensetzung behalten, würde man
Elemente nennen. In unserer Zeit hat ein böhmischer Chemiker und Natur
philosoph, Franz Wald, * 2 ) die Meinung geäußert, daß die konstante Zu
sammensetzung chemischer Produkte von der Art abhängt, wie wir sie dar
stellen. Er weist darauf hin, daß viele Versuche zu dem Zweck gemacht
worden sind, die Atomhypothese entbehrlich zu machen. „Man könnte
wohl“, sagt Wald, „diesen Umstand als Beweis anführen, daß diese
Hypothese den menschlichen Geist nicht befriedigen kann. Allein, soweit
mir derartige Versuche bekannt worden sind, tragen sie sämtlich das Merk
mal eines kühnen Gedankenfluges, ja, ich möchte sagen, des Leichtsinnes.
Schwierigkeiten existieren für die meisten Autoren, welche sich mit dem
Problem befaßt haben, überhaupt nicht, ihnen ist alles klar und deutlich,
nur im Leserkreise finden sich keine Anhänger.“
Wald versucht einen neuen Weg. Er behauptet, daß der Chemiker
seine Substanzen, ohne sich der Absicht bewußt zu sein, so bereitet, daß sie
den Gesetzen der konstanten und multiplen Proportionen folgen. Den Ein
wand, daß die Natur auch chemische Individuen hervorbringt, weist er
zurück, indem er hervorhebt, daß chemisch reine Stoffe in der Natur sehr
selten sind, und ferner, daß die Prozesse, durch die in der Natur chemische
D Deville, Compt. rend. 45, 857, 1857. 56, 195, 1863.
2 ) Wald: Z. f. phys. Ch. 18 , 337—375, 1895, 19 , 607—624, 1896.