Full text: Theorien der Chemie

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einem Grundstoff B in der Verbindung AB genau dieselbe ist wie in der 
Verbindung ABC. Als Beispiel führt er die von Berzelius untersuchte 
Oxydation von Schwefelblei, PbS, durch Salpetersäure zu Bleisulfat, PbS0 4 , 
an, welches Blei und Schwefel in genau demselben Verhältnis wie das 
Schwefelblei enthält. 
Hat man nun die Verbindung ABC, so sind auch die Verbindungen 
AB, AC und BC gegeben, und man kommt offenbar durch solche Kombina 
tionen zu sogenannten Äquivalentgewichten. Sind daher in H 2 0 2 g Wasser 
stoff 16 g Sauerstoff äquivalent, und geht Wasserstoff eine höhere Ver 
bindung mit Sauerstoff ein, so müssen sich nach dem „Gesetz der integralen 
Reaktionen“ die 18 g Wasser mit einem Äquivalent Sauerstoff verbinden, 
und demnach die Verbindung H 2 0 2 , Wasserstoffsuperoxyd, geben. Auf 
diese Weise wird das Gesetz der multiplen Proportionen verständlich. 
So weit herrscht also volle Einigkeit. 
Sehen wir aber jetzt zu, ob dieses neue Gesetz soviel leistet wie die 
alte Atom-Theorie. Ostwald diskutiert die Frage der Isomerie, d. h. 
der Eigentümlichkeit, daß zwei oder mehrere Körper, z. B. die vielen 
Zuckerarten C 6 H 12 0 6 , genau dieselbe Zusammensetzung haben und doch ganz 
verschiedene Eigenschaften besitzen, eine Eigentümlichkeit, die von der 
Atomtheorie so erklärt wird, daß die Atome in den beiden Fällen verschieden 
räumlich angeordnet sind. Die Isomerie ist bisher nur mit Hilfe der 
Atomtheorie aufgeklärt worden, und die Hoffnung, daß es „in einer viel 
leicht nicht zu fernen Zukunft“ * 2 ) gelingen wird, die Isomeriefälle ohne 
Atomhypothese zu erklären, ist, wie oben (S. 5) angedeutet wurde, kein 
genügender Grund, diese aufzugeben. Es wird auch gesagt, daß „isomere 
Stoffe dadurch gekennzeichnet sind, daß sie unter gleichen Umständen ver 
schiedene Energiemengen besitzen“ und daß daraus eine Erklärung der 
Isomeriefälle herausgebildet werden könnte. Dies scheint aber nicht zuzu 
treffen, denn Rechtsweinsäure und Linksweinsäure besitzen genau dieselbe 
Verbrennungswärme und dieselbe freie Energie, und ähnliches gilt für alle 
Fälle von sogenannter optischer Isomerie. Ostwald sagt selbst, daß die 
Linksweinsäure „in jeder chemischen und physikalischen Eigenschaft“ (also 
auch in bezug auf den Energieinhalt) „mit der rechten übereinstimmt, nur 
daß sie die Polarisationsebene des Lichtes um ebensoviel nach links wie 
diese nach rechts dreht“. 3 ) 
Die Vorzüge der atomistischen Anschauung werden auch von den 
Gegnern zugegeben. Wald sagt z. B.: „Den Nutzen der Atomhypothese 
0 Ostwald: Leitlinien der Chemie, S. 58 und 64. Leipzig 1906. 
2 ) Ostwald: Leitlinien der Chemie S. 153—155. 
3) 1. c. S. 148.
	        
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