61
(Basen) und Salze beschränkt. Es wird indessen wohl eine schwierige Auf
gabe sein, die Ausdehnung der elektrolytischen Leitfähigkeit festzustellen,
und ich bin noch nicht imstande, eine positive Antwort darauf zu geben.“
Später scheint Helmholtz dem Gedanken zuzuneigen, daß alle che
mischen Verbindungen Elektrolyte sind. „Wenn wir aus den Tatsachen
schließen, daß jede Affinitäts-Einheit mit einem Äquivalent Elektrizität,
entweder positiver oder negativer, geladen ist, so können elektrisch neutrale
Verbindungen nur auf die Weise entstehen, daß jede positiv geladene Ein
heit sich unter dem Einfluß einer mächtigen elektrischen Anziehung mit
einer anderen Einheit, die negativ geladen ist, vereinigt. Sie sehen, daß
so Verbindungen hervorgebracht werden müssen, in denen jede Affinitäts
einheit jedes Atoms mit einer und nur einer Einheit eines anderen Atoms
verbunden ist. Das ist, wie Sie sofort erkennen, die moderne chemische
Theorie der Valenz, die alle gesättigten Verbindungen umfaßt. Die Tat
sache, daß auch elementare Stoffe mit wenigen Ausnahmen Moleküle haben,
die aus zwei Atomen zusammengesetzt sind, macht es wahrscheinlich, daß
auch in diesen Fällen die Neutralisation durch die Vereinigung der beiden
Atome zustande kommt, deren jedes mit seinem vollen elektrischen Äqui
valent geladen ist, und nicht durch die Neutralisation jeder einzelnen
Affinitätseinheit.
Ungesättigte Verbindungen mit einer geraden Anzahl unverbundener
Affinitätseinheiten bieten keinen Einwand gegen eine solche Hypothese;
sie können mit gleichen Äquivalenten entgegengesetzter Elektrizität geladen
sein. Ungesättigte Verbindungen mit nur einer unverbundenen Einheit, die
nur bei hohen Temperaturen existieren, können erklärt werden als disso-
ziert durch die heftige molekulare Bewegung der Wärme entgegen ihrer
elektrischen Anziehung. Aber es bleibt ein einziges Beispiel einer Ver
bindung, die nach dem Avogadröschen Gesetz selbst bei der niedrigsten
Temperatur als ungesättigt angesehen werden muß, nämlich Stickoxyd (NO),
ein Körper, der ganz ungewöhnliche Eigentümlichkeiten zeigt, und dessen
Verhalten vielleicht zukünftige Forschungen aufklären werden.“
Diese Worte sind ein sehr klarer Ausdruck der Ansichten, die in
jener Zeit unter den Chemikern herrschten. Helmholtz war mit che
mischen Erscheinungen nicht vertraut genug, um eine Abänderung dieser
Ansichten zu versuchen. Helmholtz hätte schon selbst einen zweiten Stoff
anführen können, nämlich N0 2 , der auch aus den Valenzregeln herausfällt,
wie sie damals angenommen waren. Aber später haben Bestimmungen der
Gasdichte sowohl wie des Gefrierpunkts bewiesen, daß noch mehr Moleküle
vorhanden sind, deren nach den Gesetzen von Avogadro und van’t Hoff
bestimmte Zusammensetzung mit den Valenzregeln nicht besser überein