212 II. Verbindungen des Kolüentsoffs mit bivalenten Elementen.
können einander bis zu einem gewissen Grade ersetzen. Die
relative Menge der reagirenden Stoffe übt hier auch einen
grossen Einfluss: je mehr Alkohol genommen wurde, desto
mehr Säure tritt in die Reaction, und umgekehrt, je mehr
Säure verwandt worden, desto mehr wird von dem Alkohol
ätherificirt, jedoch geht die Reaction nie bis zu Ende, bis
zur vollständigen Umwandlung des einen oder des anderen der
angewandten Körper; sie hört in einem gewissen Momente auf,
in welchem der entstandene zusammengesetzte Aether, die resti-
renden Säure und Alkohol und das ausgeschiedene Wasser ein
System von Körpern bilden, welche sich in einem chemischen
Gleichgewicht befinden. Für die gewöhnlichsten einatomigen
Alkohole und Säuren bildet das Maximum des entstehenden
zusammengesetzten Aethers, wenn ein Moleciil Säure auf ein
Moleciil Alkohol einwirkte, circa 65 — 75 Procent derjenigen
Quantität Aether, die sich bilden würde, wenn aller Alkohol
und alle Säure in Reaction träten. Die entsprechenden Er
scheinungen wiederholen sich in umgekehrter Reihenfolge, wenn
ein zusammengesetzter Aether der Einwirkung von Wasser
unterworfen wird.
Die Fähigkeit der Alkohole, mit Säuren zu reagiren, dient
als eines der besten Mittel zur Erkennung der alkoholischen
Natur eines Körpers, d. h. um nachzuweisen, ob in demselben
mit hydrogenisirten (mit Wasserstoff verbundenen) oder wenig
stens mit nicht oxydirten Kohlenstoffatomen vereinigte Wasser
reste enthalten sind. Ist aber das Moleculargewicht des Alko
hols bekannt, so weist die Quantität der in Reaction getretenen
Säuremolecüle (wenn die Säure im Ueberschuss vorhanden war)
und die Quantität der sich ausscheidenden Wassermolecüle, die
auf ein Molecül des reagirenden Alkohols kommt, auf die Quan
tität der erwähnten Wasserreste (auf die Atomigkeit des alko
holischen Körpers) hin. Wenn z. B. je 62 Gewichtstheile Aethyl-
glycol (C2H0O2 — 62 d. h. ein Molecül) mit 120 Gwth. Essig
säure (2C2H1O2 = 2 X 60 = 120 d. h. zwei Molecüle) in Reaction
treten können, wobei 36 Gwth. Wasser (zwei Molecüle) ausge-
schieden werden, so ist Aethylglycol zweiatomig, er enthält
zwei alkoholische Wasserreste. Nach der Quantität der in ihnen
enthaltenen Wasserreste werden die Alkohole in ein-, zwei-,
drei-, vier- und sechsatomiye getheilt; fünfatomige Alkohole
sind bis jetzt unbekannt. Ferner sind ausser den gesättigten