306 II- Verbindungen des Kohlenstoffs mit bivalenten Elementen.
werden. Da sich die Ameisensäure von ihren Homologen da
durch unterscheidet, dass sie nur ein Atom Wasserstoff an der
Stelle enthält, an welcher in den anderen Säuren Kohlenwas
serstoffgruppen stehen, so erscheint sie von letzteren auch in
einigen chemischen Beziehungen verschieden. Für sie ist kein
Keton möglich, ferner sind auch das ihr entsprechende Alde
hyd, Anhydrid und Chloranhydrid (deren Formeln CH2O, CHOC1
und
CH°! 0
CHOI u
sein müssten ) unbekannt und bestehen aller
Wahrscheinlichkeit nach gar nicht (vgl. $ 49j.
Die Essigsäure C2H4O2 entsteht nicht nur auf syntheti
schem Wege und bei der Oxydation von Aethylalkohol (Essig-
gährung, s. $ 155), sondern auch bei der Oxydation von Aceton
und vielen anderen, die Radicale Methyl oder Aethyl enthalten
den Ketonen ; sie tritt auch allein oder neben Propionsäure beim
Oxydiren verschiedener tertiärer Alkohole auf (Butlerow,
Popoff). Bei der trockenen Destillation des Holzes und der
verwandten Körper bildet sich stets Essigsäure (Holzessig, Ae.
pyrolignosum) zusammen mit Methylalkohol und verschiedenen
anderen Substanzen. Durch Einwirkung von naseirendem Was
serstoff kann die Essigsäure aus den ihr entsprechenden ge
chlorten Säuren erhalten werden, die ihrerseits nicht nur aus
Essigsäure, sondern auch auf synthetischem Wege bereitet
werden können. Fertig gebildet findet sich die Essigsäure zu
weilen im Pflanzen- und Thierreich. In reinem Zustande wird
diese Säure bei der Zersetzung trockener essigsaurer (gewöhn
lich der Natrium- oder Blei-(Salze durch concentrirte Schwefel
säure dargestellt. Die Essigsäure 1 in flüssigem Zustande) ist
in ihrem Aeusseren der Ameisensäure sehr ähnlich. Ihr spe-
cifisehes Gewicht ist circa 1,06, sie siedet bei 118°, erstarrt
und schmilzt bei +16° bis +17°. Sie kann sich mit Wasser
vereinigen, ähnlich wie sich Salze mit ihrem Krystallisations-
wasser verbinden; wasserhaltige Essigsäure, welche der Formel
C2H1O2 + H2O entspricht, hat ein specifisches Gewicht von
1,07 und siedet bei circa 104°. — Solche lockere Doppelverbin
dungen können auch zwischen Säuren selbst stattfinden; als
Beispiel können die sogenannte Essigbuttersäure u. a. dienen.
Die essigsauren Salze sind, wie auch die ameisensauren, in
den meisten Fällen leicht löslich und krystallisationsfähig, doch
sind die Quecksilber- und Silbersalze, welch' letzteres krystal-