1. Amine oder Ammoniakderivate der Kohlenwasserstoffradicale. 547
Bei Darstellung; der mehratomigen Amine durch die allge
meine Methode, aus Alkoholhaloi'danhydrideri, gewinnt ihre
Bildungsweise an Deutlichkeit, wenn zur Reaction nicht Am
moniak, sondern einatomige Amine von bedeutendem Substitu
tionsgrade verwandt werden. In der That ist einleuchtend,
dass, je mehr das auf ein mehratomiges Haloidanhydrid rea-
girende Amin substituirt war, um so weniger (ihrem Substitu
tionsgrade nach) verschiedenartige, den Rest dieses Haloidan-
hydrids enthaltende, mehratomige Amine entstehen können.
Die physikalischen Eigenschaften der mehratomigen Amine
sind wenigstens ebenso mannichfaltig, wie die der einatomigen:
es giebt unter ihnen flüssige (z. B. die Aethylenamine von ver
schiedenem Substitutionsgrade und ihre äthylirten Derivate)
und ebenso auch starre krystallinische Substanzen (die Mehr
zahl der aromatischen vielatomigen Amine). — Bemerkens
werth ist, dass einigen von diesen letzteren eine eigenthümliche
lebhafte Färbung zukommt, die ihre technische Verwendung be
dingt : Rosanilin ist rotli, dreifachäthylirtes Rosanilin violett,
dreifachphenylirtes Rosanilin blau u. s. w.
Von den chemischen Eigenschaften mehratomiger Amine
verdient hervorgehoben zu werden, dass in einigen mehrato
migen Aminen die Säurigkeit (die Anzahl von Molecülen einer
einbasischen Säure, welche durch ein Aminmolectil gesättigt
wird) nicht der Quantität des in ihnen enthaltenen Ammoniak-
Stickstoffs entspricht, z. B. Hexamethylenamin (vgl. § 210) und
Guanidin sind beide einsäurig, obgleich das erstere 4 und das
letztere 3 Atome Stickstoff enthält (vgl. übrigens § 251 in der
Anm.). Andere Amine und besonders solche, in denen die An
zahl der Ammoniakstickstoffatome grösser als die Valenz der
die Ammoniakreste bindenden Radicale (s. § 251) ist, können
sowohl einsäurige wie mehrsäurige Salze geben. Diälhylen-
sauren Salze abgeschieden werden, ohne sich zu verändern. Ihm würde
jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die durch die oben angeführte
Formel versinnlichte Structur zukommen, und ebensowenig kann es die
Structurformel (CN)'HiN besitzen, weil diese dem beständigeren Cyanammo
nium zukommt. Es sind vielleicht in dem in Rede stehenden Amin die
Stickstoffatome unmittelbar mit einander vereinigt (vgl. § 251 in der Anm.).
— Mit diesem Amine homolog und anolog scheint das Acediamin zu sein,
welches ebenfalls nur in Form von chlorwasserstoffsaurem Salze (CsH-NajHCl,
das sich beim Erhitzen von chlorwasserstoffsaurem Acetamid bildet,
(St recker), bekannt ist. (Anmerk. d. Verf. z. deutsch. Uebers.)
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