Full text: Lehrbuch der organischen Chemie zur Einführung in das specielle Studium derselben

6. Cyanverbindungen. 
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des Wassers, mit dem Kohlenstoff des Cyans ein mehr oder 
weniger oxydirtes kohlenstoffhaltiges Molecül, während der 
Wasserstoff in Verbindung mit dem Stickstoff als Ammo 
niak austritt. Derartige Umwandlungen nähern die Cyanver 
bin düngen den Ammoniakderivaten, indem sie z. B. Cyan als 
Oxalnitril, Cyanwasserstoff als Formonitril, Cyansäure (ihrer 
empirischen Formel nach) als Carbimid betrachten lassen. 
Diesen Zersetzungen entspricht auch eine besondere Ent 
stehungsweise der Cyanverbindungen, durch Wasserverlust aus 
Ammoniakderivaten; ein Beispiel hierfür bieten die Nitrile, oder 
auch die Entstehung von Cyanwasserstoff bei unvollständiger 
Verbrennung von Methylamin, wobei eine der Bildung von 
Methylamin aus dem Cyanwasserstoff (s. § 252) entgegenge 
setzte Reaction stattfindet (Tollens): 
CH 5 N - H 4 = CHN . 
Sobald in einem Molecül einer stickstoffhaltigen organi 
schen Substanz eine Umsetzung stattfindet, bei der die einem 
Stickstoffatom zukommenden drei Affinitätseinheiten durch die 
Affinität eines Kohlenstoffatoms gesättigt werden, enthält über 
haupt die entstandene Verbindung Cyan. Eine solche An 
schauung setzt offenbar voraus, dass die freie Affinitätseinheit 
der Gruppe (CN/ dem Kohlenstoff zukomme, d. li. (CN/ = 
(C IV N"7; und in der That, zieht man in Betracht, dass bei 
doppelter Zersetzung von Alkoholhaloidanhydriden mit Cyan 
metallen Nitrile entstehen können, und dass man von diesen 
leicht zu Säuren übergehen kann, in denen alle Kohlenstoff 
atome unzweifelhaft direct mit einander verbunden sind, so 
wird die Voraussetzung, die Gruppe (CN/ könne mit Kohlen 
stoffaffinität wirken, zur Gewissheit. Andererseits lässt sich 
jedoch nicht leugnen, dass Cyan auch mit StickstofMfinität 
wirksam sein kann. *) In diesen Fällen könnte Cyan als 
(CN/ = (C IV N V / betrachtet werden. Vielleicht wird eben hier 
durch das abweichende Verhalten verschiedener Atome eines 
und desselben Metalls im Molecül einiger eomplicirteren Cya- 
ntire bedingt. 
*) Diese Vermutkuug hat nun durch das Verhalten der kürzlich ent 
deckten, mit den Nitrilen metameren Cyanüre (s. unten § 272a) sehr viel an 
Wahrscheinlichkeit gewonnen. — Es ist hierbei zu bemerken, dass das 
mit der Stickstoffaftinität wirkende Cyan auch als eine Verbindung 
des bivalent wirkenden Kohlenstoffatoms mit dem trivalent wirkenden Stick-
	        
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