Full text: Lehrbuch der organischen Chemie zur Einführung in das specielle Studium derselben

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Allgemeine Begriffe. 
die sich bereits zu einer fast unumstösslichen Wahrheit empor 
geschwungen hat, dass Wärme Bewegung ist, ist seit dem 
Auftreten der mechanischen Wärmetheorie mehr als wahrschein 
lich, und vielleicht irrt mau sich nicht, wenn man alle Er 
scheinungen des Chemismus Bewegung nennt. Wenn die Zeit 
gekommen sein wird, wo der ursächliche Zusammenhang aller 
Arten dieser Bewegung erklärt wird, so werden die Erschei 
nungen des Chemismus ihre mechanische Theorie erhalten, — 
eine Theorie im strengsten Sinne des Worts, die, nachdem sie 
ihren Platz als bestimmter Theil eines wohlgestalteten Ganzen 
in der Wissenschaft eingenommen hat, gerade wie die übrigen 
Theile — die Theorien der Bewegungen anderer Art, — der 
mathematischen Analyse unterliegen wird. 
Unzulänglichkeit der jetzigen theoretischen Anschauungen. 
49» Es gibt Beispiele genug, dass ein allzu einseitiges An 
wenden von bestimmten Anschauungen — ein eigensinniges 
Halten an ihnen — der Entwickelung der Wissenschaft hinder 
lich war. Für den Fortschritt ist es ohne Zweifel weit för 
derlicher, wenn der Theorie keine umfassendere Bedeutung 
beigelegt wird, als ihr in der Tliat zukommt. Daher ist es nütz 
lich und sogar nothwendig, die Unzulänglichkeit gewisser Ver 
allgemeinerungen nicht ausser Acht zu lassen, ohne darum ihnen 
ihren Werth abzusprechen oder sie als leitendes Princip zu 
verwerfen. — Bei dem jetzigen Stande des empirischen Theils 
der Chemie ist es nicht schwer, auf Beispiele für eine solche 
Unzulänglichkeit der in dem Vorigen erörterten theoretischen 
Anschauungen hinzuweisen. 
Der Begriff von der chemischen Structur entspringt direct 
aus dem Begriffe von der Valenz, und dieser letztere beruht 
auf dem Begriffe von dem chemischen Molecül, mit dem das 
Volumgesetz eng verbunden ist. Eine jede dieser Verallge 
meinerungen hat ihre schwachen Seiten, — für jede lassen 
sich Fälle finden, die einstweilen noch unerklärbare Ausnah 
men bilden. So ist z. B. der ungesättigte Kohlenwasserstoff 
CH-2, welcher dem Kohlenoxyd entsprechen würde, unbekannt; 
ebenso unbekannt sind die Körper CHOC1 und CH2O, welche 
dem Chlorkohlenoxyd COCI2 u. a. entsprechen. Nach allen 
bis jetzt angestellten Versuchen ist selbst die Möglichkeit ihres 
Bestehens äusserst zweifelhaft, während ihre Zusammensetzung
	        
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