Full text: Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie

52 
Theorie der wäßrigen Lösungen 
zentration der Chlorionen in der Lösung erhöht worden. Man stelle den 
Versuch an. 
Ein weiteres Beispiel für dieses Gesetz ist die früher festgestellte Tatsache, 
daß die Basizität einer Ammoniaklösung durch Zusatz von Ammoniumsalzen 
herabgedrückt wird. Durch die starke Vermehrung der Ammoniumionen, die 
das im Vergleiche zum mäßig dissoziierten Ammoniumhydroxyde stark disso 
ziierte Ammoniumchlorid hervorbringt, wird die elektrolytische Spaltung des 
Ammoniumhydroxyds beträchtlich herabgedrückt: die Konzentration der Hydroxyl- 
ionen nimmt ab; die Wirkung der Base schwächt sich dadurch so weit, daß sie 
nicht mehr Magnesium-, Zink-, Ferro- und einige andere Metallsalze zu fällen 
imstande ist. 
Zahlreiche Eigentümlichkeiten, die bei essigsauren Lösungen zu beobachten 
sind (vgl. die Umsetzungen der salpetrigen Säure), ferner die geringere Löslich 
keit von Chlorwasserstoffgas in Chloridlösungen oder in verdünnten Säuren 
reinem Wasser gegenüber beruhen im letzten Grunde auf diesem Gesetze. 
Masseimirkungsgesetz : Das eben besprochene Gesetz ist ein Einzelfall 
des „Massenwirkungsgesetzes“, eines der wichtigsten Gesetze der Chemie, 
das hier nur kurz und auch nicht in seinem ganzen Umfange angedeutet sein 
möge. Das Massenwirkungsgesetz beruht auf der Erkenntnis, daß jeder Stoff 
proportional seiner Konzentration zur Wirkung kommt v Ein besonders einfacher 
Fall ist die Dissoziation eines Stoffes in zwei Spaltungsstücke; es besteht dann 
zwischen dem Stoffe und seinen Spaltungsstücken ein Gleichgewicht. Wenn 
man die molare Konzentration vom nicht gespaltenen Anteile eines Stoffes mit 
c, die seiner Spaltungsstücke mit a und 6 und eine Konstante mit K bezeichnet, 
so wird das Gleichgewicht durch folgende Gleichung festgelegt: 
a • b = K • c 
Beispiele für diesen Fall bilden alle binären Elektrolyte. Die Konstante K, 
die hier als „Dissoziationskonstante“ bezeichnet wird, ist bei allen stark 
ionisierten Stoffen groß, bei den nur wenig ionisierten Stoffen klein; ein Blick 
auf die Gleichung macht das verständlich. Die Dissoziationskonstante ist von 
der Natur des Stöffes und von der Temperatur abhängig, dagegen unabhängig 
vom Grade der Verdünnung — im Gegensätze zum Dissoziationsgrade vgl. oben. 
Der Einfluß eines gleichionigen Zusatzes zu der Lösung eines schwachen 
Elektrolyten läßt sich auf Grund des eben Auseinandergesetzten verstehen. 
Bei einem schwachen Elektrolyten sind die Ionen in geringer Konzentration 
vorhanden: o und b sind also klein; die Konzentration des nicht gespaltenen 
Anteiles c ist groß; und die Konstante K ist nach dem Obigen klein. Jetzt 
werde ein zweiter und zwar starker Elektrolyt zugesetzt, der ein gleiches Ion 
wie das von der Konzentration a reichlich in die Lösung bringt. Dadurch findet 
eine Verschiebung des Gleichgewichts statt: die Konzentration des den beiden 
Elektrolyten gemeinsamen Ions a ist jetzt groß; c kann nur wenig zunehmen, 
da es schon fast die Gesamtmasse des Elektrolyten ausmacht; K ist konstant. 
Also kann die Zunahme von a nur durch eine Verkleinerung von b ausgeglichen 
werden, wobei selbstverständlich c ein wenig wächst und o ein wenig abnimmt. 
Eine Abnahme von b besagt aber, daß die Ionisation des schwachen Elektro 
lyten zurückgeht. 
Umsetzungsgleicliungen : Die elektrolytische Dissoziationslehre hat zu 
einer neuen Schreibweise der chemischen Umsetzungen geführt, die den wirk 
lichen Verhältnissen der Lösung besser Rechnung trägt als die bisher von uns 
benutzte Schreibweise, welche die bei einem Einzelversuche angewandten Aus 
gangsstoffe und die entstehenden Endstoffe in Formeln zu einer Gleichung zu 
sammenfaßte. Die Umsetzung zwischen Chlorwasserstoff und Silbernitrat zu 
Silberchlorid und Salpetersäure haben wir bisher folgendermaßen formuliert: 
1. HCl + AgN0 3 = AgCl + HNO s
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.