Full text: Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie

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Theorie des Auflösens und Fällens 
Nach dem oben Gesagten ist die Löslichkeit eines Stoffes bei gleicher 
Temperatur konstant; also ist auch c konstant. Da K ebenfalls konstant ist, 
muß auch die linke Seite der Gleichung, d. h. das Produkt o • b konstant sein. 
I Das besagt: in einer gesättigten Lösung eines ionisierbaren Stoffes 
ist das Produkt der Ionenkonzentrationen konstant. Man nennt 
dieses Produkt das „Löslichkeitsprodukt“. Eine Lösung ist für einen 
Elektrolyten gesättigt, wenn in ihr so viel Ionen des zu lösenden Stoffes vor 
handen sind, daß das Produkt dieser Ionenkonzentrationen gleich dem Löslich 
keitsprodukte ist; sie ist ungesättigt, wenn das Löslichkeitsprodukt durch das 
Produkt der Ionenkonzentrationen nicht erreicht wird; sie ist übersättigt, wenn 
es dadurch überschritten ist. 
Wenn eine Ionenart im Überschüsse vorhanden ist, so wird das Löslich 
keitsprodukt schon erreicht, wenn von der anderen Ionenart eine geringere 
Masse vorhanden ist; wesentlich ist nur das Produkt beider Konzentrationen. 
So erklärt sich der Erfahrungssatz, daß ein Elektrolyt in einer Lösung, die 
eines seiner Ionen schon enthält, weniger löslich ist als in reinem Wasser: 
Bariumsulfat ist in einer SO/' enthaltenden Lösung und ebenso in einer Ba“ 
enthaltenden Lösung weniger löslich, als in reinem Wasser oder in sonstigen 
Lösungen, die weder Ba” noch SO/' enthalten. Daraus ergibt sich der durch 
die Erfahrung längst festgestellte Satz, daß man bei Fällungen einen kleinen 
Überschuß des Fällungsmittels anzuwenden habe. Ausführlicher und an einem 
Beispiele durchgerechnet findet sich diese Lehre in W. Ostwalds Grundlinien 
des anorganischen Chemie beim Abschnitte Kaliumion (I. Auflage Seite 447 bis 451). 
Man stelle folgenden Versuch an, der die Herabsetzung der Lös 
lichkeit von Kaliumchlorat auf Zusatz gleichioniger Stoffe zeigt: 
Man bereite eine bei Zimmertemperatur gesättigte Kaliumchlorat 
lösung, indem man eine Probe Kaliumchlorat 1 in heißem Wasser löst 
und die Lösung unter Umschwenken unter dem Strahle der Wasserleitung 
auf etwa Zimmertemperatur abkühlen läßt, wobei ein Teil des gelösten 
Kaliumchlorats auskristallisieren muß. Nach einer Stunde filtriert 
man ab und versetzt vier Proben der Lösung je mit einigen Tropfen 
einer der Lösungen von Kaliumchlorid, Kaliumnitrat, Natriumchlorat, 
Natriumchlorid. Die ersten drei Gemische trüben sich in etwa einer 
Minute, schneller beim Umschütteln und lassen Kaliumchlorat aus 
kristallisieren. Die vierte Probe, zu der kein gleichioniger Zusatz (NaCl) 
gekommen ist, bleibt klar. 
Fällungen: Die Theorie der Fällungen ergibt sich aus dem eben Dar 
gelegten: eine Fällung erfolgt, wenn in einer Lösung Ionen in so großer 
Konzentration vorhanden sind, daß das Produkt ihrer Konzentrationen (das 
„Konzentrationsprodukt“) größer ist als das Löslichkeitsprodukt eines Stoffes, 
der sich aus ihnen bilden kann. Es erfolgt — event. nach einem Stadium 
der Übersättigung —- die Ausscheidung eines Niederschlages. Als Beispiel seien 
die Fällungen von Manganosulfid, von Zinksulfid und von Cuprisulfid behandelt: 
Mangan bildet ein Sulfid MnS, das in Wasser sehr wenig löslich ist; 
immerhin geht etwas in Lösung und zerfällt, da die Lösung sehr verdünnt ist, 
fast völlig in die Ionen Mn” und S"; das Produkt der Konzentrationen dieser 
Ionen in gesättigter Lösung ist das Löslichkeitsprodukt des Manganosulfids. 
Wenn nun in eine Manganosalzlösung Schwefelwasserstoff geleitet wird, der als 
sehr schwache Säure außerordentlich wenig dissoziiert ist, so reicht die sehr ge 
ringe Konzentration der S"-Ionen nicht aus, mit der Konzentration der reichlich 
vorhandenen Manganoionen Mn” ein Konzentrationsprodukt zu geben, das
	        
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