Unterscheidung der Faserstoffe nach ihrer spez. Doppelbrechung. 31
Seide zeigt, je nach der Varietät, sehr ungleiches Verhalten.
Die vorherrschenden Polarisationsfarben von echter Seide sind
Weifs und Blafsgelb, sehr rein und glänzend, selten bis zu Rot an
steigend. Färbung sehr gleichmäfsig, kurze Flecke nicht vorhanden.
Ähnlich war das Polarisationsbild einer chinesischen Seide mit
flacher Faser (wahrscheinlich Yamamaiseide), auf der Breitseite der
Faser. Die Farben waren Weifslichgrau, Weifs und Hellgelb, mit
wenig Abwechselung. Auf der Schmalseite: Blau und Grün zweiter
Ordnung. Ailantliusseide gab auf der Breitseite recht gleich-
mäfsige Polarisationsfarbe; von Weifslichgrau bis Gelblichweifs. Die
Schmalseite erschien streifig gefleckt, Flecke kurz, zweiter Ordnung,
Grund stumpfes Gelb erster Ordnung. Tussahseide gab ein buntes
Polarisationsbild (Fig. 17, i, Taf. 1), in welchem die ungleichmäfsige
Dicke der Faser dieser Abart sehr auffallend war. Breitseite: Rot,
Violett und Blau, in unregelmäfsigen Flecken auf gelbem Grund.
Schmalseite breiter als von der vorhergehenden Abart, streifig gefleckt,
Farben bis Gelb II. Ordnung gehend. Senegalseide giebt (nach
Höhnel, S. 155) unreine gelbe und bräunliche Farben, sowohl auf
der Schmalseite, wie auf der Breitseite.
Flachs und Hanf haben die stärkste Doppelbrechung. Die
Polarisationsfarbe wechselt von Gelblichweifs erster bis Gelb zweiter
Ordnung: am häufigsten kommt Violett vor. Die Fasern erscheinen
auf lange Strecken einfarbig. Faserbündel, die bei Hanf und Jute
vielfach Vorkommen, geben Polarisationsfarben dritter und vierter
Ordnung. Die starke Doppelbrechung von Flachs und Hanf wird
durch häufiges Waschen und Bleichen und auch durch mechanische
Beschädigung der Fasern wenig beeinträchtigt. In Papierzeug er
kennt man mit Hilfe der Nikols ohne Mühe zerrissene Fasern von
alten leinenen Lumpen, auch dann noch, wenn die Zerfaserung sehr
weit getrieben ist. Die dünnsten Fibrillen gehen noch Grau, während
die Polarisationsfarbe von Baumwolle und von Holzfasern durch
Zerreifsen sehr bald unter das Dunkelgrau herabgedrückt wird, so
leichtes und sicheres Verfahren zur Unterscheidung der Jute von Flachs und
Hanf gründen. Abweichende Resultate lassen mich vermuten, dafs Jute durch
Salpetersäure und Kaliumchlorat stark angegriffen wird. Bei vorsichtiger Be
handlung kann man es dahin bringen, dafs die meisten Zellen lebhaftes Gelb
zeigen. Immerhin bleibt die Polarisationsfarbe weit hinter der von Flachs und
Hanf zurück.