Full text: Lehrbuch der malerischen Perspektive mit Einschluß der Schattenkonstruktionen

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F rontansicht. 
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Fig. 164 b. 
für jede Säule eine andere Bildebene benützt. Nimmt man für j ede 
horizontale Blickrichtung — senkrecht zu dieser — eine neue Bildebene 
an, so bilden diese Ebenen in ihrer Gesamtheit ein Prisma mit unendlich 
vielen, unendlich schmalen Seitenrechtecken, also einen Hohlzylinder. 
Man wird demnach auch Bilder erhalten, wie sie sich auf eine hohl 
zylindrische Fläche projizieren, mit krummlinigen Abbildungen von ge 
raden Linien. Eine geradlinige Abbildung von geraden 
Linien ist aber nur bei einer ebenen Bild 
fläche möglich (Fig. 164b). Also können aus diesem Grunde 
Staffeleibilder nur nach der Glastafel-Theorie 
hergestellt werden. 
Es sei hier noch auf die perspektivische Praktik hingewiesen, beim 
Zeichnen nach der Natur den Zeichen stift horizontal 
hinauszuhalten zur Beurteilung der Winkel, unter denen die 
einzelnen Linien scheinbar gegen den Horizont steigen oder fallen. 
Ausdrücklich sei hervorgehoben, daß aus den soeben besprochenen 
Gründen bei jedem Hinaushalten der Zeichenstift stets die näm 
liche parallele Lage haben muß. Man wähle gleich zu 
Anfang einen ganz bestimmten Punkt des Horizontes als festen 
Hauptpunkt; die Senkrechte zu der nach diesem Punkte gezogenen 
Blicklinie gibt alsdann die konstante Richtung an, welche der 
Zeichenstift einnehmen muß. — 
Das Auge ist eine äußerst bewegliche Camera obscura, die auf- 
und abfixierend das ganze Objekt überfliegt. Die hierbei gewonnenen 
Detaileindrücke werden dann erst durch einen geistigen Prozeß zu einem 
Gesamtbilde, dem „subjektiven Anschauungsbilde“ kombiniert. 
Diese unbewußte geistige Tätigkeit, durch welche eben das Gesamt- 
Anschauungsbild zustande kommt, besteht nicht bloß in einem einfachen 
Einregistrieren der Detaileindrücke, die teilweise sogar in direktem 
Widerspruche miteinander stehen, sondern vielmehr in einem Aus 
gleichen und Vermitteln jener Widersprüche. Um diesem subjektiven 
Anschauungsbilde gerecht werden zu können, muß der Maler häufig 
ein nach der Glastafel-Theorie konstruiertes 
Bild — dessen Vorzug eben darin besteht, die Geradlinigkeit zu 
wahren, dessen Nachteil es aber ist, Verzerrungen in Beziehung auf 
die scheinbaren Größenverhältnisse zu zeigen — etwas modifi 
zieren.
	        
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