Ueber die Bestimmung der wahren Gestalt einer ebenen Figur.
Figur 46.
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Frage 34. Wie wird die Umlegung
einer ebenen Figur in die Projektions-
Zeichnung ausgeführt ?
Erkl. 98. Denkt man sich, siehe Figur 46,
die Projektionen der Vierecksseiten bis zu ihrem
Schnitt mit der Sprir S verlängert, so erleiden
durch die Drehung der Vierecksebene diese
Schnittpunkte s, t, u, v keine Veränderung ihrer
Lage; es müssen demnach durch sie auch die
Verlängerungen der Umlegungen der Vierecks
seiten hindurchgehen, woraus folgt, dass die
Linien a 1 b 1 und a“b‘\ b x c y und &"c", c x d x und
c“ d‘\ d x a x und d“a" sich in Punkten s, t, u, v
der Geraden S schneiden. Da ausserdem die
Punkte a x und b x und b“, c x und c", d x
und d“ auf parallelen Strahlen liegen, s o
stehen Projektion und Umlegung einer
ebenen Figur in einem eigentümlichen
Zusammenhänge, der dadurch charak
terisiert ist, dass den Punkten der
einen Figur gewisse Punkte der an
dern Figur so zu geteilt sind, dass
entsprechende Punkte auf parallelen
Strahlen liegen, und ausserdem je
zwei Punkte dereinenFigur e i n e G e -
rade liefern, der in der andern Figur
gleichfalls eine Gerade so entspricht,
dass entsprechende Gerade sich in
Punkten der Spur schneiden.
Erkl. 94. Den eben genannten Zusammen
hang nennt man „Affinität“, siehe Erkl. 95,
und zwei Figuren, welche in diesem Zusammen
hänge stehen, heissen „affine Figuren.“
Die Projektion und die Umlegung
einer ebenen Figur sind affine
Figuren.
Erkl. 95. Das Wort „Affinität“ stammt
aus dem Lateinischen (affinitas) und heisst Ver
wandtschaft. affin heisst demnach „verwandt“.
Erkl. 96. Die konstruktive Bedeutung der
Affinität ist sofort zu erkennen; denn hat man
Antwort. Ist, siehe Figur 46, die Pro
jektion a 1 b 1 c 1 d i eines Vierecks ab cd sowie
die Spur S der Vierecksebene und ausserdem
etwa der Abstand a x a‘ des Punktes a von
der Pr. Eb. gegeben, so ist damit offenbar
die Lage der Vierecksebene gegen die
Pr. Eb. vollständig bestimmt; denn ist a x a‘
parallel, a x a senkrecht zu S gezogen und
aa' verbunden, so ist damit das Konstruk
tionsdreieck a‘ a x a des Punktes a und folg
lich auch der Winkel W x der Vierecksebene
ab cd gegeben. Denkt man sich nun die
Vierecksebene um ihre Spur S so lange ge
dreht, bis sie mit der Pr. Eb. zusammenfällt,
so beschreibt der Punkt a, siehe Figur 45,
nach Erkl. 91 einen Kreis, mit dem Mittel
punkte a und der Hypotenuse aa' als Halb
messer.
Da in ’Wirklichkeit die Linie aa auf der
Spur S senkrecht steht und diese Lage durch
die Drehung der Ebene nicht verändert wird,
so muss auch nach dem Zusammenfallen
der Vierecksebene mit der Pr. Eb. die Linie
aa senkrecht zu S bleiben, d. li. entweder
in die Verlängerung von a x a oder auf
die Linie a x a selbst fällen. Ist das erstere
vorausgesetzt, so kommt der Punkt a, siehe
Figur 46, nach der Umlegung nach a" in
eine Entfernung gleich der Länge aa', siehe
Erkl. 91, zu liegen.
Auf die nämliche Weise können auch die
Umlegungen der übrigen Eckpunkte des Vier
ecks, wie z. B. des Punktes d bestimmt
werden, wodurch sich die Umlegung a“b“
c" d" als wahre Gestalt des Vierecks
ab cd ergibt.