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in erſter Linie die Anorduung geeigneter Maßregeln, um der Ausbreitung
des Uebels der A. vorzubeugen; fie ſoll einerſeits dafür ſorgen, daß dort,
wo die Unterſtüßung Nothleidender von der freiwilligen nachbarlichen Für-
ſorge nicht zu erwarten ſteht, geſebliche Organe zur Löſung dieſer Aufgabe
ins Leben treten, andererſeits ſoll ſie darauf achten, daß die völlig frei-
willige Thätigkeit, falls ſie die Grenzen der reinen Privatwohlthätigkeit
überſchreitet, nicht eine Verſchlimmerung des Uebels anbahñe; endlich hat
die geſeßgebende Gewalt auch in den Ländern, wo noch kirhliche Armen-
pflege vorwaltet, dieſe innerhalb beſtimmter Grenzen zu organiſiren. Jn
ähnlicher Weiſe. würde die Staatsgewalt auch bei der Gründung ſogenann-
ter Armenkolonien, wie ſie zuweilen (z. B. dur<h Voght in Flottbe>
bei Hamburg, durch General van der Boſch zu Frederiksoord in Holland)
verſucht ſind, niht ohne Betheiligung bleiben dürfen; es haben ſich jedoch
dergleichen Unternehmungen, Arme in abgeſonderte Landſtriche zu ver-
jegen ır. dort mit Feldbau zu beſchäftigen, aus verſchiedenen Gründen als
ein auf die Dauer erfolgloſes Mittel zur Bekämpfung des Pauperismus
herausgeſtellt. — Weiterhin hat die Staatsgewalt auf geſeßlihem Wege
auch die Aufbringung der Mittel für das Armenweſen zu regeln.
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Nr. 814. Die Armenherberge „„Zu den Hühnerfedern““ bei Peking.
Abgeſehen von den Erträgen ſtiftungsmäßiger Fonds, die in manchen
Ländern jehr reichlich fließen, wird der weitere Bedarf bald wie in Eng-
land durch eine beſtimmte Armenſteuer, bald wie in Bayern aus dem all-
gemeinen Einnahme-Etat, bald wie in Bremen u. anderen großen Städten
dur eine halbfreie Beſteuerung, bald wie in Lübe> Hamburg u. in den
Niederlanden mit Hülfe ganz freiwilliger Beſteuerung gede>t, u. ver-
ſchiedene größere Staaten, wie Preußen, Sachſen, Belgien, Frankreich 2c.
verbinden mehrere der erwähnten Hülfsquellen, um die Armenlaſt aufzu-
bringen. Wo troß ſolcher Einnahmen die Kräfte der Gemeinden zur Be-
wältigung des Elends doh nicht ausreichen, od. wo im gegebenen Falle
die gejegliche Verpflichtung eines Ortsverbandes zweifelhaft ift, treten
gewöhnlich in zweiter Linie die weiteren, jogenannten Landarmenverbände
ein, welche bald von einzelnen großen Städten, bald von ganzen Pro-
vinzen, bald, wie in Oſtpreußen, von den einzelnen Kreiſen gebildet wer-
den. Sehr anerkennenswerth zeigt fich in neuerer Zeit die Wirkſamkeit
der Landarmenverbände im Königreich Sachſen, welche jeßt mehr unab-
hängig von Einmiſchungen der Staatsbehörden, auch theilweiſe die Armen-
zucht verwalten u. eine Reihe heilſamer Zwangsarbeitshäuſer (z. B.
in Strehla, Möern 2c.) organiſirt haben, deren ſtrenge Disziplin zum
Theil an die engliſchen Werkhäuſer erinnert. Jn Frankreich u. Belgien
treten für die Gemeinden nachhelfend auch die ſog. Departements-
kaſſen ein, welche dort in erſter Linie die Koſten der Jrrenverſorgung
ſowie der Verpflégung heimatloſer Kinder, Findlinge 2c. zu tragen haben.
Die eigentliche Praxis der Armenpflege, welche meift in der Hand
eigens beſtellter (bald beſoldeter, bald unbefoldeter) Kommiſſionen
(Armendeputationen, Armenpflegſchaftsräthe, Armendiakonien, Armen-
bureaus, Administrations 2c.) liegt, beſchäftigt fich nicht nur damit,
der Verarmung der Einzelnen vorzubeugen, ſondern auch ſhon Verarmte
zu unterftügen, endlich die Unterftügten jelbft zu beauffichtigen. Um dieje
Zwecke thunlichſt zu erreichen, ift vor Allem darauf zu achten, daß arbeitg-
fähige A. zur Thätig“eit u. zu möglichſt eigenem Erwerbe der unentbehr-
lichen Leber sbedürfniſ) e angehalten, hierzu aber auch mit den erforderlichen
Mitteln verjchen werd 1, u. daß als Gabe den Armen nur das ichlechter-
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dings Unentbehrliche gewährt werde. Es iſt ſchon oben darauf hingewieſen,
welche Anerkennung in dieſem Sinne dem erfolgreichen Wirken der Schweizer
Armenfreunde gebührt; aber auch in unſerem Vaterlande finden fich (ganz
abgeſehen von dem ſtillen Wirken zahlreicher Vereine, religiöſer Gemein-
ſchaften, Freimaurer-Logen uU. |. w.) an verſchiedenen Orten, namentlich
in den Hauptſtädten (wie Berlin, Leipzig u. ſ. w.), wohlorganiſirte Be-
ſtrebungen in jenem Geiſte, welche in ihrem nächſten Umkreiſe großen
Segen verbreiten u. auf die ſittliche Kraft der Bevölkerung hebend ein-
wirken. Eine wahrhaft muſtergültige Bedeutung hat in dieſem Sinne
die praktiſche Armenpflege in der Fabrikſtadt Elberfeld erlangt, deren
Vorzug in dem Aufgebot einer großen Anzahl freiwilliger Kräfte für
die außerhalb der geſchloſſenen Anſtalten (Armenhaus, Krankenhaus,
Waiſenhaus, Obdach für Wohnungsloſe 2c.) zu betreibende Armenfürſorge
beteht. Der eigentliche Charakter diefer Hausarmenpflege liegt in dem
individualiſirenden Verfahren, welches je nach den beſonderen Umſtänden u.
perſönl. Verhältniſſen nicht nur entſprechende Hülfe leiſtet, ſondern auh
in jedem einzelnen Falle dem Urſprung des Elends auf den Grund zu kom-
men u. ihm gründlich abzuhelfen. ſtrebt. Allerdings erfordert ein ſolches
, Verfahren eine reihlichere Anwendung von Verſtand wie
Theilnahme, eripart aber hierdurch nicht nur viele Geld-
koſten, ſondern trägt auch, was weit wichtiger iſt, dazu
bei, daß die Hülfe des Augenblid3 nicht etwa, wie bei
der plumpen na>ten Almoſenwirthſchaft, die Ausſichten
in die Zukunft verdunkelt. Hunger u. Durſt werden ge-
ſtillt, Blößen bede>t, ohne daß die unſhäßbare Fähig-
keit des Sichſelbſtaufrichtens in dem Geſunkenen gekni>t
würde. Jn dieſer Weiſe wird die Noth arbeitsfähiger
Leute nicht als ein unheilbares Uebel behandelt bei
welchem es nur darauf ankäme, die Leidenden von Tag
zu Tag hinzuhalten, ſondern ſie gilt vielmehr als ein
Ausnahmezuſtand, deſſen Heilung forgfältig auf die
Wiederkehr der Regel, d. h. des Selbſterhaltens zu be-
rechnen iſt. — AS entiprechende Unterftüßungsmit-
tel werden außer der Verabreichung von Almoſen, die
jedoch nur im äußerſten Nothfall u. beſſer in Naturalien
als in Geldſpenden gewährt werden, hauptſächlich das
Verſchaffen von Unterkommen, von Brennmaterial, ferner
öffentliche Speiſehäuſer (Volksküchen, Suppenanſtalten),
weiterhin Arbeitsnachweifung, Krankenpflege, Kinder-
erziehung, endlich in gewiſſen Fällen die gänzliche Ver-
ſorgung angeſehen. Beim Mangel des nöthigen Obdachs
hat die Armenbehörde entweder für das Ermiethen einer
Wohnung oder für das Unterbringen im Armenhauſe
Sorge zu tragen. Der Obdachloſe, welcher fich ſonſt zu ernähren ver-
mag, hat gewöhnlich den Betrag des Miethzinſes an die Armenkaſſe zu
entrichten oder für deren Rechnung abzuarbeiten. Mit Rückſicht auf die
ſteigenden Miethpreiſe hat man in neuerer Zeit, um der augenblid-
lichen Noth Obdachloſer abzuhelfen, in größeren Städten, wie in Lon-
don, Berlin u. j. mw. Öffentliche Armenherbergen (au Aſylhäuſer
genannt) errichtet, in welchen, joweit natürlich der Raum reiht, Alle
die augenblicklich einer Unterkunft entbehren, wenigſtens für die Nacht
eine Zufluchtsſtätte finden. Dieſe Möglichkeit hat ſhon Manchen, der
ſonſt vielleicht verzweifelt zeitweiliger Noth zum Opfer gefallen wäre, vor
großem Unglü> bewahrt, u. wir finden jenes wohlthätigſte aller Unter-
ſtüßungsmittel hoher A. ſelbſt in ſolchen Ländern, die ſonſt jeder weiteren
Armenfürſorge entbehren. Eines der intereſſanteren Beiſpiele zeigt uns
im fernen Aſien die ſogenannte „Herberge zu den Hühnerfedern“
vor Pekings Thoren, ein roher Holzſchuppen, deſſen harten Fußboden eine
hohe Lage Hühnerfedern bede>t. Ohne Unterſchied des Alters od. Geſchlech-
tes ſindet dort jeder Arme des Abends nach der Feierglode ſein Bläschen
auf weichen Dumnenlager, wo er fich fein Net zurecht macht, jo gut er
kann. Nachdem durch Polizeiſoldaten das Bettelgeſindel im wirren Durch-
einander hineingetrieben iſt, wird eine den ganzen Bau überſpannende Filz-
decke bis kurz über die Schläfer herabgelafjen, die troß der Hite u. ftidfen-
den Ausdünftung Doch gern den Schuß gegen Wind u. Regen genießen.
Wir kehren nach dieſer Abſchweifung wieder zur den Aufgaben der euro:
päiſchen Armenpflege zurü>. Zur beſſeren Ernährung der Armen hat
man in vielen Orten nicht nur Suppenanſtalten, ſondern auch öffentliche
Speiſchäuſer (ſtädtiſhe Speiſeanſtalten) errichtet, die zu möglichſt
billigem Preiſe Unbemittelten eine warme u. kräftige Nahrung darreichen;
einen gleichen Zwe> verfolgen die ſeit Kurzem von Frau Lina Morgen:
ſtern begründeten Volksküchen in Berlin. Aus älterer Zeit find die men:
ſchenfreundlichen Beſtrebungen des Amerikaners Rumford in München,
des bekannten Erfinders der nah ihm benannten Armenſuppe hier zu
erwähnen. Jn neueſter Zeit gewährt man auch armen Familien, namentlich
wenn ſie zahlreiche Kinder zu ernähren haben, dadurch eine Erleichterung,
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