WORKING GROUP 5
DOLEZAL
323
Die Frage, wieweit Seegang, Brandung und Gezeiten die Sinkstoffbewegung
in den Wattströmen beeinflussen oder von den Vorgängen im Wattenmeer be
einflusst werden, wird sich nur durch weiträumige Untersuchungen im grösse
ren Rahmen der Deutschen Bucht beantworten lassen. Das Schicksal der
grossen Strommündungen als Vorfluter und Verkehrswege, ebenso wie das
der am weitesten nach See zu vorgeschobenen Sande und Sandinseln, hängt
von der Entwicklung der hier wirkenden Kräfte und der von ihnen gestalteten
Formen ab.
Mit dem Beginn des Forschungsprogramms im Herbst 1934, das die Grund
lage eines 10-Jahresplanes für Küstenschutz und Landgewinnung durch um
fassende Untersuchungen im Wattenmeer klären sollte, ergab sich als grösste
und vordringlichste Aufgabe die erstmalige Erfassung des Wattenmeer-Raumes
zwischen den Seedeichen und der offenen See in seinen Formen und seinem
Aufbau. Von diesem Gebiet vor der Westküste zwischen Elbe und der Landes
grenze im Norden Sylts waren bis dahin lediglich die küstennahen Wattränder
bekannt geworden, soweit sie für den Schutz der Deiche, für die Landgewin
nung oder die Entwässerung der Marschen für wichtig gehalten wurden. Die
Lotungen der Marine beschränkten sich im wesentlichen auf die Seewasser
strassen und die schiffbaren Wattströme, wobei aber nicht einmal die an
grenzenden Wattflächen in ihrer Umgrenzung ausreichend aufgenommen
werden konnten. Die weiten Gebiete des eigentlichen Watts waren weder in
ihrer Ausdehnung, noch in ihrer Höhenlage vermessen oder untersucht
worden.
Aber alle im Rahmen der Forschungsarbeiten durchzuführenden Unter
suchungen an der Westküste Schleswig-Holsteins haben letztlich den Zweck,
durch Schaffung von Unterlagen die Planung der Landerhaltungs- und Land
gewinnungsmassnahmen zu ermöglichen. Die aufbauenden und zerstörenden
Gezeiten, die regelmässig wiederkehrenden, aber immer wieder verändert
auftretenden Ebbe- und Flutströmungen, die Sturmfluten und die unmittel
baren Einflüsse von Wind und Eis beherrschen zusammen das ganze Watten
meer und verändern ständig die Oberflächenformen und die Lage der grossen
Wattströme und Priele.
Die Gestalt der Oberfläche des Wattenmeeres, der Aufbau des Wattgrundes
und die Wasserbewegung, die durch Jahrhunderte bis in die Gegenwart die
Formen des Wattenmeeres verändert hat, mussten und müssen laufend als
Planungsgrundlagen erforscht werden. Wichtige Hinweise liefern geologische
Untersuchungen und für die neuere Zeit die Land- und Seekartographie, in
einzelnen Fällen auch die erhaltenen Spuren menschlicher Siedlungen. Es
gibt also zwei Wege, um zur Deutung der Entwicklung im Wattenmeer zu
gelangen:
1. die statistische Erfassung möglichst vieler Stadien der Formen des Aufbaues
der Watten, um hieraus Rückschlüsse auf die Kräfte in der Vergangenheit
und Gegenwart zu ziehen;
2. die unmittelbaren und künftig zu wiederholenden Messungen der ge
staltenden Kräfte selbst.