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Wie der Freiballon wurde.
auch franzöfifch gefinnt und gelten als eine Art Borpoſten und
jedenfalls als verläßliche Auskunftsperſonen für die Leute — von
„drüben“, Das deutſche Militär halten ſie inſofern für eine ſehr
nüßlihe Einrichtung, als es treffliche Straßen auf Reichskoſten
dem Lande beforgt und bei Flurfchäden gründlich hohgenommen
wird. Selbſt für die wenigen Quadratmeter zerjftampften Brach-
feldes bei der Ballonlandung.
Stets drängt ſich an dieſe Erinnerung unvermittelt eine andere:
an eine Frühlingsfahrt na<h Böhmen. Aus der grünenden
norddeutſchen Ebene ging es über das tief verſchneite Erzgebirge
in das wieder bräutlich geſchmüd>te Egertal hinein, aus dem Frühling
über den Winter in den Frühling, und dann noch ein Stück land-
einwärts — und nun Halt gemacht bei einem deutſh-böhmiſchen
Städtchen, dicht neben dem verdubten Bürgermeiſter, „welcher
gerade auf ſeinem Felde aderte, als die illujtren Gäjte vom Himmel
kamen“, wie es nachher im Wochenblatt ſtand. Wenige Minuten
ſpäter waren ſämtliche 1100 Einwohner von Willomi um uns
her. Eine ſolche urdeutſche Herzlichkeit aber iſt nicht zu beſchreiben.
gm Triumph ging es ins Rathaus, Kopf an Kopf ſtanden die Leute
um uns herum, um die „Brüder aus dem Reich“.
Dann erbrauſte die Wacht am Rhein, vom erſten bis zum
legten Vers. Jeder A>erknecht und jeder Bahnarbeiter ſang aus-
wendig, wie der Bürger und der Student. Die einzigen, die von
der dritten Strophe an nicht mehr mitkonnten, waren — die vier
Reichsdeutſchen.
Wie der Frei- Heute find Freiballonfahrten
quer durch halb Europa und
ballon wurde. Landungen auf einem winzigen
Fle>chen kein Wagnis mehr, aber
als wir Kinder waren, da wurde
noch jeder Biergarten-Luftfchiffer als fühner Held angeftaunt,
wenn er wenige Meilen in einigen hundert Metern Höhe ſich von
einem leiſen Lüftchen dahintragen ließ. Das Material war eben
noch ein ganz anderes. Man kannte noch nicht die Reißbahn, ſondern
landete, indem man einen Anker auswarf und dann, wenn er ge-
ZF