Full text: Die Ausgleichungspraxis in der Landesvermessung

Einleitung. 
Die praktischen Ausgleichungsaufgaben können im wesentlichen in zwei 
Hauptgruppen unterschieden werden, in trigonometrische Ausgleichungen und 
in lineare. 
Zu den trigonometrischen Ausgleichungen gehört alles, was sich irgendwie 
mit Richtungen und Winkeln, zu den linearen alles, was sich mit rein geo 
metrischen Längen- und Höhenmessungen (Nivellements) und der Unschäd 
lichmachung ihrer Fehler befaßt. 
Es ist deshalb für die Ausgleichungspraxis von vornherein das nächst- 
liegende, sie nach diesen beiden Richtungen hin zu gliedern und erst inner 
halb einer jeden der beiden Gruppen die feinere Unterscheidung nach be 
dingten und vermittelnden Beobachtungen anzuwenden. 
Die Theorie der Ausgleichungsrechnung ist in zahllosen Lehrbüchern, 
Leitfäden und Übungsbüchern behandelt, die den mit Ausgleichungsarbeiten 
beschäftigten Geodäten und sonstigen Technikern ja meistens hinlänglich be 
kannt sind. 
Hingegen ist die Praxis lediglich in der bekannten preußischen An 
weisung IX vom 25. Oktober 1881 „für die trigonometrischen und polygono- 
metrischen Arbeiten bei Erneuerung der Karten und Bücher des Grundsteuer 
katasters“ erschöpfend dargelegt, beschränkt sich aber auch dort nur auf diese 
Aufgaben und läßt alle trigonometrischen aus dem Gebiete der Landes 
vermessung und die meisten linearen überhaupt unerörtet. 
Und doch haben gerade diese, vielleicht unter dem Einflüsse der An 
weisung IX oder doch wenigstens aus gleichen Erwägungen heraus wie sie, 
in den letzten 30 Jahren eine so gründliche Vertiefung und Ausgestaltung 
erfahren, daß auch sie, namentlich bei der jüngeren Generation der Geodäten, 
nach und nach Gemeingut aller Fachleute werden und deshalb einer analogen 
Behandlung, wie die trigonometrischen und polygonometrischen Arbeiten der 
Katastervermessung, nicht mehr entraten können. Der verdienstvolle Um 
gestalter und bis zu einer gewissen Grenze Schöpfer der neuzeitlichen Be- 
obachtungs- und Ausgleichungspraxis auf dem weiten Felde der Landes 
vermessung ist der erst vor wenigen Jahren verstorbene Generalleutnant 
Dr. Schreiber, von 1877—1888 Chef der trigonometrischen Abteilung und 
von 1888—1893 Chef der preußischen Landesaufnahme. 
Er hat die Theorie und Praxis der trigonometrischen Präzisionsmessungen 
I.—IV. Ordnung in der Landesvermessung auf ihre gegenwärtige Höhe ge 
bracht und das Berechnungswesen zu der allgemein anerkannten Voll 
kommenheit entwickelt. 
Abendroth, Ausgleichungspraxis. 
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