Fall der Körper.
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Gebrauch kam. Schon im vorigen Jahr
hundert hat man übrigens mehrfach ver
sucht, statt der Fadenkreuze dünne Glas
plättchen in das Fernrohr einzusetzen, auf
welche sehr feine Linien radiert sind, eine
Einrichtung, deren sich die Firma F. W.
Breithaupt u. Sohn in Kassel seit länge
rer Zeit bedient.
Fall der Körper, die durch die An
ziehung der Erde hervorgerufene Bewe
gung der Körper, wenn sie nicht festgehal
ten werden, in der Richtung senkrecht nach
unten.
1) Auf die Autorität des Aristoteles hin
nahm man früher an, daß ein Körper um
so rascher falle, je schwerer er ist; erst die
italienischen Physiker Varchi 1544 und
Benedetti 1563 stellten die gegenteilige
Behauptung auf, daß im leeren Raum
alle Körper gleich schnell fallen, mögen sie
schwerer oder leichter sein. Während sie
aber ihre Behauptung durch scharfsinnige
Schlüsse zu beweisen suchten, schlug Gali
lei den Weg des Experiments ein, und
durch Fallversuche, die er während seines
Aufenthalts als Professor in Pisa (1589
bis 1592) an dem dortigen schiefen Turm
anstellte, lieferte er den Beweis, daß nicht
das Gewicht, wohl aber die Dichte der Kör
per einen Einfluß auf ihre Fallgeschwin
digkeit ausübt. Die Ursache dieses Ein
flusses erkannte er richtig im Widerstand
des Mittels, in welchem der Körper fällt,
und so gelangte er ein halbes Jahrhundert
vor Erfindung der Luftpumpe zu den drei
häufig mit seinem Namen belegten Ge
setzen für den Fall im leeren Raum:
a) Die Geschwindigkeit ist proportional
der Fallzeit. Unter Geschwindigkeit in
einem bestimmten Augenblick ist hier der
Weg zu verstehen, den der Körper in jeder
folgenden Sekunde zurücklegen würde,
wenn von diesem Augenblick an die Schwere
aufhörte zu wirken, also die Geschwindig
keit sich nicht mehr änderte. Nennt man v
die Geschwindigkeit, ausgedrückt in Me
tern, welche zur Zeit t, d. h. t Sekunden
nach Beginn der Fallbewegung, stattfindet,
so ist dem Gesetz zufolge
v — g-t, (i)
wobei g eine erfahrungsmäßig gegebene
Größe, gleich 9,81 m, ist, welche man die
Fallbeschleunigung nennt. Weildie
Zunahme der Geschwindigkeit in jeder
Sekunde gleich viel beträgt, so nennt man
die Fallbewegung eine gleichförmig
beschleunigte Bewegung.
d) Der Fallraum ist proportional dem
Quadrat der Fallzeit. Bei Anwendung der
vorigen Bezeichnung ist nämlich die durch-
fallene Höhe (der Fallraum)
h = j g-t a (2)
Es wird also in
1, 2, 3, 4, 5 ... Sekunden
die Höhe V2 g = 4,90 m
1, 4, 9, 16, 25 ... mal
zurückgelegt, und beispielsweise in 25
Sek. beträgt der Fallraum 122,5 in. Da
die Unterschiede der Zahlen 1, 4, 9 rc. die
ungeraden Zahlen 3, 5 rc. geben, so er
gibt sich die Folgerung: Die Fallräume
in der 1., 2., 3., 4. Sekunde rc. verhalten
sich wie die ungeraden Zahlen 1, 3, 5,7 rc.
Schafft man aus den Gleichungen (1) und
(2) die Zeit t fort, so erhält man die neue
Gleichung v = v/ägi (3)
Die Endgeschwindigkeit ist proportional
der Quadratwurzel aus der Fallhöhe. Uni
also die doppelte, 3fache, 4fache Endge
schwindigkeit zu erreichen, muß derKörper
von der 4fachen, 9fachen, 16fachen Höhe
herabfallen. Bei einer Fallhöhe von 100 m
ist die Endgeschwindigkeit
v — v/2.9,8i .100 — 44,2 in,
bei 1000 m Fallhöhe ergibt sich die Ge
schwindigkeit
v = v 7 " 2.9,8i. löoö = 140 m.
2) Die vorstehenden Gesetze gelten in
aller Strenge nur für den Fall im luft
leeren Raum und auch da unter der Vor
aussetzung geringerFallhöhen, so daß man
die Änderungen der Schwere während des
Falles vernachlässigen kann. Nach dem
Newtonschen Gravitationsgesetz ist nun
die Schwere, d. h. die Anziehung der Erde
auf einen Körper, umgekehrt proportional
dem Quadrat der Entfernung dieses Kör
pers vom Erdmittelpunkt. Befindet sich
nun der Körper am Meeresspiegel, so ist
der Abstand vom Erdmittelpunkt 6377
km; in einer Höhe von 1000 m ist dieser
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