Full text: Lexikon der Astronomie

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Weltsystem (ägyptisches, kopernikanischeS). 
andre Sphären bewirken durch ihre eigen 
tümliche Bewegung die Erscheinung der 
Präzession (s. d.), und das Ganze wird 
umschlossen von einer letzten Sphäre, dem 
Primum mobile, welche sich in 24 Stun 
den einmal von O. nach W. um die Welt 
achse dreht und so die tägliche Bewegung 
der Gestirne erzeugt. Die Sonne bewerte 
sich nach der schon von Hipparch herrüh 
renden Theorie in einem exzentrischen 
Kreis um die Erde (s. Exzentrisch), die Bah 
nen der andern Körper aber waren Epi- 
cykeln ls.d.). Mußten auch hiernach Sonne, 
Mond und die fünf erwähnten Planeten 
frei im Weltraum schweben, so war doch 
dem Volksbewußtsein eine solche Vorstel 
lung nicht geläufig, und man verwies in 
späterer Zeit einen jeden dieser Körper auf 
eine besondere Sphäre, so daß die Erde 
von elf derartigen Sphären umgeben war. 
In späterer Zeit vermehrte man diese 
Sphären noch, und im 16. Jahrh, nahm 
der gelehrte ArztGeronimo Fracastoro 
(gest. 1553 in Verona) nicht weniger als 
77 solcher Sphären an. Tycho Brahe 
rechnete es sich zum besondern Verdienst 
an, durch seine Untersuchungen über die 
Bewegung der Kometen die Unmöglichkeit 
solider Sphären erwiesen zu haben. 
Mit dem Namen ä g y p t i s ch e s W. wird 
irrtümlicherweise in der Geschichte der 
Astronomie häufig ein kosmisches System 
bezeichnet, das eine Zeit hindurch bei den 
Römern sehr beliebt war, das aber seinen 
Ursprung dem griechischen Philosophen 
Heraklrdes Ponticus (s. d.) verdankt. 
Die Eigentümlichkeit dieses Systems be 
steht darin, daß die Planeten Merkur und 
Venus sich nicht, wie die übrigen Planeten, 
Sonne und Mond, um die im Zentrum 
stehende Erde, sondern um die Sonne be 
wegen und niit dieser um die Erde laufen. 
So kommt es, daß diese dreiGestirne zusam 
men den Tierkreis durchlaufen, und daß 
Venus sich höchstens 46V2 0 , Merkur höch 
stens 23° nach der einen wie nach der an 
dern Seite von der Sonne entfernen kann. 
Nachdem das ptolemäische W. sich an 
derthalb Jahrtausende lang in fast unbe 
strittener Geltung erhalten, trat im 16. 
Jahrh. Köpernikus auf und zeigte, daß 
die Beobachtungen sich einfacher als durch 
die inzwischen immer komplizierter gewor 
dene Epicykelntheorie durch die Annahme 
erklären lassen, daß die Sonne stillstehe, 
daß Erde, Merkur, Venus, Mars, Jupi 
ter und Saturn sich in der Richtung von 
W. nach O. bewegen, und daß außerdenr 
die Erde sich in Zeit von 24 Stunden ein 
mal um eine in Richtung der Weltackse 
liegende Achse drehe. Für die Bewegung 
der Planeten um die Sonne und ebenso 
für die des Mondes um die Erde behielt 
Kopernikus die Epicykeln bei, nur wur 
den sie einfacher; erst Kepler hat durch 
seine Gesetze die letzten Reste des ptole- 
mäischen Systems beseitigt. Übrigens legte 
Kopernikus irrtümlich der Erde außer den 
erwähnten beiden noch eine dritte, konische 
Bewegung um eine zur Ekliptik senkrechte 
Gerade bei; dadurch sollten die parallele 
Lage der Erdachse und die Präzession er 
klärt werden. Diese Bewegung hat man 
später aufgegeben. 
Obwohl dieses System viel Anhänger 
fand, so gelangte es doch nicht gleich'zu 
allgemeiner Anerkennung, und es war 
namentlich der Mangel eines direkten Be 
weises für die Bewegung der Erde um die 
Sonne, wie er später durch die Aberration 
und besonders durch die Auffindung der 
Firsternparallaren geliefert wurde, und 
für die Rotation der Erde um ihre Achse 
(vgl. Erde, S. 123 f.). Tycho Brahe, der 
außerdem Kopernikus hoch schätzte, nahm 
besonders an der dritten Bewegung der 
Erde Anstoß; auch schien ihm das neue 
System für die Konstruktion von Plane 
tentafeln nicht wesentlich mehr zu leisten 
als das alte, weshalb er um 1585 ein 
eignes System aufstellte. 
Bei diesem sogen, tychonischen W. 
nimmt die Erde wieder eine zentrale Stel 
lung ein, und um dieselbe läuft außer 
dem Mond auch die Sonne; die Planeten 
Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Sa 
turn aber bewegen sich um die Sonne. 
Die Arbeiten Keplers und Newtons 
sowie die teleskopischen Entdeckungen am 
Himmel, insbesondere die Entdeckung der 
Monde des Jupiter, der mit seinen Tra 
banten ein Bild des Sonnensystems im 
kleinen darbietet, verschafften dem koper- 
nikanischen System den Sieg trotz des
	        
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