Datumwechsel. 75
Datumwechscl. Da die Erde im Lauf
von 24 Stunden sich einmal in der Rich
tung Von W. nach O. um ihre Achse dreht,
so tritt die Sonne in jeden Meridian der
Erde um so später, je weiter er nach W.
liegt, und zwar beträgt der Zeitunterschied
für je 45 Längengrade (den 24. Teil von
360°) eine Stunde. Der Eintritt der
Sonne in den Meridian bezeichnet aber
den Mittag, der hiernach für alle Orte
gleicher Länge, d. h. für alle Orte auf dem
selben Meridian, in demselben Augenblick,
für je 15° Längenunterschied nach O. eine
Stunde früher, dagegen für denselben Län
genunterschied nach W. eine Stunde spä
ter eintritt. Versetzen wir uns nun in
Gedanken zur Zeit unsers Mittags nach
Orten, die um 15°, 30°, 45° re. nach W.
liegen, so wird die Uhr dort erst auf 11,
10, 9 Uhr rc. vormittags zeigen, und gehen
wir um 90°, dann um 180° in dieser Rich
tung fort, so treffen wir auf Orte, wo es
erst früh 6 Uhr, endlich Mitternacht 12
Uhr ist. Hier muß nun unsrer Betrach
tungsweise zufolge ein Wechsel des Da
tums eintreten. Wenn wir an unserm
Wohnort beispielsweise den 29. April
schreiben, so haben alle Orte, an die wir
uns versetzt dachten, dasselbe Datum; aber
während es bei uns Mittag, ist es dort
noch Vormittag und in 180° Entfernung
erst Mitternacht, hier beginnt also der 29.
April eben erst. Gehen wir noch weiter
nach W., so muß unsrer Rechnung nach
dort der 28. April geschrieben werden, und
beispielsweise in 240°, 270°, 300°westl. L.
wird die Uhr auf abends 8 Uhr, nachmit
tags 6 und 4 Uhr zeigen. Ja, wenn wir
unsre Reise in Gedanken bis 360° fort
setzen und dadurch zu dem Meridian zu
rückkehren, von dem wir ausgegangen
sind, so haben wir hier wieder Mittag,
aber es muß unsrer Rechnung nach der
Mittag des 28. April sein.
Gehen wir dagegen von unserm Wohn
ort nach O., so wird es in 15°, 30°, 60°,
90° östl. L. bereits 1 Uhr, 2, 4, 6 Uhr
nachmittags sein, wenn wirMittaghaben,
und in 180° östl. L. treffen wir auf einen
Meridian, auf welchem es Mitternacht
ist; hier beginnt also eben der 30. April,
während die vorerwähnten Orte noch den
29. zählen. Bei noch weiterm Vorrücken
nach O. finden wir in 240°, 270°, 300°
östl. L. 8 Uhr abends, 6 Uhr und 4 Uhr
nachmittags am 30., und wenn wir bis
360° gehen, so erhalten wir für unsern
Wohnort die Zeitbestimmung: 30. April
mittags.
Wenn wir also im Gedankenflug in ost
westlicher Richtung um die Erde gehen,
so kommen wir um einen Tag in der Zeit
rechnung zurück, wenn wir unsern Weg
nach W. nehmen; wir kommen aber um
einen Tag vor, wenn wir ostwärts gehen.
Ganz dasselbe tritt auch ein, wenn wir
nicht bloß in Gedanken in einem einzigen
Augenblick unsre Weltreise vollenden, son
dern wenn wir wirklich um die Erde rei
sen, dabei aber immer unsre Zeit nach der
Sonne bestimmen. Schon die Araber er
kannten dies, und bereits im Anfang des
14. Jahrh, lehrte der Geograph Abulseda:
»Stellen wir uns vor, daß zwei Personen
eine Reise um die Erde zurückgelegt hät
ten, so wird bei der Rückkehr zum gemein
schaftlichen Ausgangspunkt der eine, der
gegen W. zog, einen Tag zu wenig, der
andre, der gegen O. zog, einen Tag zu viel
zählen«. Im christlichen Europa aber war
man im Mittelalter dieser Erkenntnis auch
in den Kreisen der Gebildeten noch fern,
und als Elcano, Magelhaens' Begleiter,
nach Vollendung der ersten Erdumseg
lung mit seinem Schiff Victoria an der
kapverdischen Insel Santiago anlegte,
wurden die Seefahrer höchlich betroffen
durch die Entdeckung, daß die Portugie
sen am Land bereits Donnerstag 10.
Juli 1522 zählten, während die SchifsS-
rechnung erst Mittwoch 9. Juli gab.
Selbst als der damalige venezianische Ge
sandte am spanischen Hof, Contarini, den
Grund ganz richtig fand, wurde seine Er
klärung nicht allgemein angenommen,
vielfach sogar verspottet.
Aus den vorstehenden Betrachtungen
ergibt sich nun, daß ein Ort der von uns
abgewendeten Erdhälfte ein andres Da
tum haben wird, je nachdem er den euro
päischen Kalender von der einen oder an
dern Seite, von O. oder W., erhalten hat,
und zwar wird Monats- und Wochentag
um einen Tag voraus sein, wenn die