Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

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diesem Uebelstande weniger unterworfen wäre. Ist es nun gleich 
erforderlich, daß der Beschauer in allen Fällen sich be 
mühen muß, dem Bilde gegenüber sein Auge in den von 
dem Darsteller gewählten Gesichtspunkt zu bringen, so 
glückt dies doch nicht immer vollkommen, zumal ihm dieser Punkt 
vor ebenen Bildflächen nicht wie vor panoramatischen angewiesen 
werden kann. Es muß daher der Darsteller den Abstand so groß 
nehmen, daß die Darstellung auch einem nicht ganz richtig situirten 
Beschauerange nicht allzu widerwärtige Verzerrungen zeige. 
Als ein Beispiel solcher Verzerrung ist die weiter unten in 
8. 174, Fig. 21 (Taf. 2) vorgeführte Gesimsperspective anzusehen, 
ebenso der untere Theil des in Fig. 72 (Taf. 13) dargestellten halb 
kreisförmigen Ausbaues. Doch soll hierzu sogleich bemerkt werden, 
daß in diesen und auch noch vielen anderen Figuren die 
Verzerrungen absichtlich herbeigeführt sind, weil bei 
ihrer Zulassung die Constructionspunkte und -Linien 
weiter ans einander fallen und dabei das Constructions- 
versahren verständlicher darzulegen ist. 
Es kann das im Vorhergehenden über die beiden Kugeln Ge 
sagte beiläufig zugleich als ein Beleg für die in §. 7 ausgesprochene 
Behauptung dienen, daß man beim Zeichnen nach der Natur Das, 
was man sieht, das scheinbare Bild, nicht ohne Weiteres auf der 
Bildsläche reproduciren darf. 
Die eben nachgewiesene Verschiedenheit zwischen dem Netzhaut 
oder scheinbaren Bilde und dem perspectivischen Bilde läßt sich, wie 
hiernächst gezeigt werden soll, in Zahlen vorführen, und kann man so 
die Regel, wie groß das Gesichtsfeld sein dürfe, um nicht perspecti- 
visch allzu verzerrte'Bilder einzuschließen, und die hieraus folgende 
Regel, wie groß der Abstand des Auges von dem Objecte sein müsse, 
noch bestimmter herleiten. 
Zunächst läßt sich die relative Größe des Netzhautbildes in Zah 
len ausdrücken, wenn man das Bild als Bogen des Gesichtswinkels 
des Objectes ansieht. Ist z. B. A B in Fig. 4 ein Object, k der 
Kreuzungspunkt int Auge Ö, l> u das von dein Objecte verursachte 
Netzhautbild, so ist AkB der Gesichtswinkel des Objectes. Diesen 
i. 22.
	        
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