§. 47. 
§• 48. 
106 
wenden, zunächst stets als unendlich lang aufgefaßten geraden 
Linien. 
Die gerade Linie, als Constructionsmittel, wird, wie gesagt, 
überall als von unendlicher Länge angenommen, wenngleich meist 
nur eine Strecke von ihr festgestellt werden soll. Sie tritt bald 
unter dem Namen einer Gesichtslinie, bald unter dem einer Richtung 
oder eines Strahles, bald als Ort unendlich vieler in einer Richtung 
neben einander liegenden Punkte auf. Sind zwei dieser Punkte fest 
gestellt, so ist die Richtung der Linie bestimmt. Man pflegt deshalb 
für jede vorkommende Linie, um ihre Perspective ziehen zu können, 
zuvor die Perspective eines ihrer in der Nähe liegenden Punkte und 
außerdem die Perspective ihres in unendlicher Entfernung liegenden 
Punktes, ihres Verschwindungspunktes, festzustellen. 
Der Auffassung des Verschwindungspunktes und der dabei 
sogleich mitzuerwähnenden Parallelität von Linien, welche in der 
Perspective von besonderer Wichtigkeit ist, liegen die mathematischen 
Sätze zu Grunde: 
1) daß parallele Linien solche Linien sind, welche 
sich in einem unendlich entfernten Punkte schneiden, und 
daß umgekehrt 
2) ein Punkt im Unendlichen als Schnittpunkt eines 
Systems paralleler Linien anzusehen ist. 
Zum Verständnisse dieser dem Anfänger befremdlich klingenden 
Sätze gelangt man etwa folgendermaßen: 
Denkt man sich mehrere bewegliche, unendlich lange gerade 
Linien, von denen in Fig. 16 nur Strecken va, vb, vc, vd und ve 
vorliegen, und welche einerseits sämmtlich an dem beweglichen 
Punkte v haften, andererseits 
aber jede durch einen besondern 
unverrückbaren Punkt a, b, 
c, d und 6 gehen, und man 
stellt sich vor, daß der jenen 
Linien gemeinschaftliche Punkt v 
in einer beliebigen Richtung, etwa 
nach u hin, fortbewegt werde.