Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

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Während die Linien selbst durch die festen Punkte a, b, c ii. s. w. 
hindurch nachgezogen werden, so nimmt die nach v convergirende 
Richtung der Linien offenbar in dem Grade ab, in welchem die 
Winkel, welche die Linien bei v mit einander bilden, kleiner werden. 
Wird der Punkt v nun in derselben Richtung immer weiter, zuletzt 
bis in die Unendlichkeit fortbewegt, so ist die Größe der Winkel 
bei v auf Null reducirt und die Convergenz der Linien ist in 
Parallelität umgewandelt. Denkt man sich den gemeinschaftlichen 
Punkt v unter denselben Annahmen durch das Papier hindurch in 
einer zur Papierfläche normalen oder schiefen Richtung fortbewegt, 
so werden dieselben Linien, sobald v als in die Unendlichkeit gerückt 
gedacht wird, ebenfalls als parallel anzusehen sein. 
Man kann demnach im Allgemeinen parallele Linien wohl als 
solche ansehen, welche nach einem in der Unendlichkeit liegenden Punkte 
convergiren, und umgekehrt jeden Punkt in der Unendlichkeit als den 
Schnittpunkt eines ganzen Systems von Parallellinien. 
Um übrigens hierzu ein das Verständniß erleichterndes Beispiel 
zu haben, darf man nur die Richtung der der Erde zugehenden 
Strahlen der Sonne, deren Entfernung von der Erde wohl eine 
unendliche genannt werden kann, in Betracht nehmen. Obwohl diese 
Strahlen offenbar nach dem Mittelpunkte der Sonne convergiren, 
so kann dieses große Büschel derselben, wegen ihrer ununterscheid 
baren Convergenz, doch nur als parallel aufgefaßt werden. 
Der in der Unendlichkeit liegende Punkt einer einzelnen Linie 8. 49. 
ist also, weil er zugleich der Schnittpunkt des ganzen Systems aller 
mit ihr parallelen Linien ist, nicht allein der Verschwindungs- 
punkt der Linie, sondern auch der des Systems der ihr pa 
rallelen Linien. 
Der Zusammenhang der im Vorhergehenden erörterten mathe- 8. 50. 
malischen Anschauung der Parallelität der Linien und der hiermit 
verbundenen Auffassung des unendlich entfernten Punktes eines 
Systems paralleler Linien mit der Construction der perspectivischen 
Bilder derselben ergiebt sich aus Folgendem: 
In Fig. 17 sei di Ick die Bildebene, O der Gesichtspunkt, U der 
Hauptpunkt, li r der Horizont, und hinter der Bildebene seien zwei
	        
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