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der Künste, Herrn Professor K. Pohlke, und dessen geistvolle
Auffassungsweise des Gegenstandes auf ihn und seine Anschauun
gen geübt.
Was schon Lambert und ältere Autoren vor ihm beklagt und
mit unverkennbarer Erregtheit bekämpft haben: die Nachlässigkeit
vieler Kunstjünger im Studium der Perspective, sollte in einer
Zeit, in welcher der Strebsame die Zugänge zur Wissenschaft
geebnet und geweitet vorfindet, füglich nicht mehr Gegenstand des
Vorwurfs sein können. Nichtsdestoweniger begegnet man heut
zutage noch hier und da sogar der Meinung, daß der Genius die
Fesseln der Mathematik nicht vertrage, und weisen auch auf den
Kunstausstellungen nicht wenige und sonst nicht unbedeutende
Gemälde und Basrelief-Sculpturen das Walten einer ähnlichen
Meinung in den unzweideutigen Merkmalen jener behaglichen Fes
sellosigkeit deutlich genug auf. Die Anhänger dieses Genius-Cul
tus ernüchtern zu wollen, ist ein selten dankbares Unternehmen,
da sie zunächst nicht mehr die erforderliche Ausdauer im Studium
besitzen und dann, bei der etwaigen Umkehr von dem süßgewohnten
Tasten nach dem Rechten zu dem bewußten Schaffen, in der
Regel in eine, der früheren Fessellosigkeit entgegengesetzte wider
liche Trockenheit und Absichtlichkeit in ihren Schöpfungen verfallen.
Günstiger Erfolg von dem Rathe, das Studium der Perspective
mit allem Eifer aufzunehmen, ist nur bei den Kunstbcflissenen zu
erwarten, welche, von Erstlingserfolgen noch nicht beirrt, unbe
fangen einstweilen mehr dem Fleiße als dem Genie vertrauen.
Für Architekten, welche die Nothwendigkeit, den landschaft
lichen Eindruck von B.auprojecten in einer perspectivischen Darstel
lung derselben vor ihrer Ausführung zu übersehen, auf das
Studium der Perspective selbst hinweist, bedarf es der besondern
Empfehlung desselben nicht.
Die hier der Linearperspective vorangeschickte Optik darf
nicht als der entbehrlichere Theil des Studiums betrachtet werden.