Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

VII 
der Künste, Herrn Professor K. Pohlke, und dessen geistvolle 
Auffassungsweise des Gegenstandes auf ihn und seine Anschauun 
gen geübt. 
Was schon Lambert und ältere Autoren vor ihm beklagt und 
mit unverkennbarer Erregtheit bekämpft haben: die Nachlässigkeit 
vieler Kunstjünger im Studium der Perspective, sollte in einer 
Zeit, in welcher der Strebsame die Zugänge zur Wissenschaft 
geebnet und geweitet vorfindet, füglich nicht mehr Gegenstand des 
Vorwurfs sein können. Nichtsdestoweniger begegnet man heut 
zutage noch hier und da sogar der Meinung, daß der Genius die 
Fesseln der Mathematik nicht vertrage, und weisen auch auf den 
Kunstausstellungen nicht wenige und sonst nicht unbedeutende 
Gemälde und Basrelief-Sculpturen das Walten einer ähnlichen 
Meinung in den unzweideutigen Merkmalen jener behaglichen Fes 
sellosigkeit deutlich genug auf. Die Anhänger dieses Genius-Cul 
tus ernüchtern zu wollen, ist ein selten dankbares Unternehmen, 
da sie zunächst nicht mehr die erforderliche Ausdauer im Studium 
besitzen und dann, bei der etwaigen Umkehr von dem süßgewohnten 
Tasten nach dem Rechten zu dem bewußten Schaffen, in der 
Regel in eine, der früheren Fessellosigkeit entgegengesetzte wider 
liche Trockenheit und Absichtlichkeit in ihren Schöpfungen verfallen. 
Günstiger Erfolg von dem Rathe, das Studium der Perspective 
mit allem Eifer aufzunehmen, ist nur bei den Kunstbcflissenen zu 
erwarten, welche, von Erstlingserfolgen noch nicht beirrt, unbe 
fangen einstweilen mehr dem Fleiße als dem Genie vertrauen. 
Für Architekten, welche die Nothwendigkeit, den landschaft 
lichen Eindruck von B.auprojecten in einer perspectivischen Darstel 
lung derselben vor ihrer Ausführung zu übersehen, auf das 
Studium der Perspective selbst hinweist, bedarf es der besondern 
Empfehlung desselben nicht. 
Die hier der Linearperspective vorangeschickte Optik darf 
nicht als der entbehrlichere Theil des Studiums betrachtet werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.