Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

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Objecte gerichtet wird. Es bedarf die Netzhaut, um deutlich zu 
sehen, auch in diesem Falle einer kurzen Zeit der Gewöhnung au 
den stärkeren Lichtreiz, wobei die Iris wesentlich behülflich ist, durch 
Verengerung der Pupille die Menge des in das Auge dringenden 
Lichtes zu vermindern. 
Ebenso ist die Netzhaut, wenn das Auge plötzlich von nur 
mäßig Hellen Objecten ans dunkle Objecte gerichtet wird, augen 
blicklich unempfindlich für die schwächeren Lichteindrücke. 
Was aber von der Blendung der Netzhaut im Ganzen gesagt 8. 106. 
worden, betrifft auch einzelne Stellen derselben, selbst wenn das Licht 
nicht unerträglich hell ist. Richtet man z. B. das Auge einige Zeit 
hindurch unverwandt nach einem Fenster und blickt dann plötzlich 
auf sehr dunkle Objecte, so währt im Auge ein mattes Bild des 
Fensters der Art fort, daß die Lichtöffnungen hell, das Fensterkreuz 
dunkel erscheinen; blickt man hingegen plötzlich auf sehr Helle Objecte, 
so sind im Nachbilde die Lichtöffnungen dunkel, das Fensterkreuz 
aber hell. 
Die Empfindlichkeit der Netzhaut für Lichteindrücke ist so groß, 8. 107. 
daß, wenn sie von einem sehr hell leuchtenden Objecte angeregt 
wird, nicht nur die von dem Lichte direct getroffene Stelle der 
Netzhaut, sondern auch die dieser Stelle zunächstliegenden Theile 
mitgereizt werden, und das leuchtende Object deswegen als größer 
wahrgenommen wird, als es der Erfahrung oder dem Vergleiche nach 
mit anderen weniger leuchtenden Objecten erscheinen dürfte. Beob 
achten kann man diese Erscheinung, welche man mit dem Namen 
Irradiation bezeichnet, sehr leicht. Richtet man das Auge z. B. 
nach dem Vollmonde und stellt sich so, daß ein Theil der Mond 
scheibe von einem dunklen Gegenstände, etwa von einer Kante eines 
Gebäudes verdeckt wird, so entsteht im Auge der Eindruck, als 
schneide der sichtbare Theil der Mondscheibe in die dunkle Kante, 
diese ein wenig aushöhlend, ein. Ebenso scheint die hinter dem 
Meereshorizonte auf- oder untergehende Sonne in denselben ein 
wenig einzuschneiden. Auf dem gleichen Grunde beruht die Erschei 
nung, daß der äußere Bogen der schmalen Mondessichel kurz vor 
oder nach dem Neumonde einer größeren Kreisperipherie anzugehören 
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