Full text: Die Perspektive als selbständige Darstellungsweise

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Soweit das Wort ..Perspektive“ auf die bildenden Künste Bezug hat, gebraucht 
man es in zweifacher Bedeutung, als Perspektive im weiteren Sinne, in 
welchem es Relief- und Malerperspektive zugleich umfasst, und als Perspektive im 
engeren Sinne, in dem es die Malerperspektive allein inbegreift. 
Die Reliefperspektive lehrt räumliche Gebilde, „von einem 
Punkte aus“ gesehen, in eine räumliche Darstellung derart um 
setz e n, dass deren Beschauer bei Wahrung eines gewissen nach 
obigem Punkte sich bestimmenden Standpunktes den Eindruck 
empfängt, als sehe er jene Gebilde in wahrer Gestalt und Grup 
pier u n g. 
Anmerkung. Auch ist die Reliefperspektive unter dem Namen Theaterperspek 
tive bekannt, was daher kommt, dass reliefperspektivische Gebilde bei der Ausstattung von 
Bühnenräumen die häufigste praktische Verwendung finden. — So sind die drei Wände nebst 
dem Fussboden und der Decke eines Bühnengemaches in ihrer gebrauchsfertigen Zusammen 
stellung häufig schon eine reliefperspektivische Darstellung. 
Di e Malerperspektive hingegen lehrt irgendein „von ei n em Punkte 
aus“ gesehenes Raumstück des Weltenalls durch eine flache Dar- 
Stellung dermassen wiedergeben, dass deren Beschauer im Geiste 
lebhaft in jenes Raumstück versetzt wird. 
Mit der Maler Perspektive, der Perspektive im engeren Sinne, will sich 
das vorliegende Lehrbuch ausschliesslich befassen; und dabei wird es sich wieder nur 
auf die Regeln beschränken, die das Anfertigen eben flächiger Perspektiven’) be 
treffen. Ausführungen über krummflächige perspektivische Darstellungen sind 
lediglich für den Panorama-, Nischen- und Kuppelmaler von praktischer Bedeutung 
und bilden den Inbegriff eines nur selten beleuchteten Spezialstudiums der Maler 
perspektive. 
Über Perspektive im allgemeinen. 
Der bildende Künstler ist beim Skizzieren nach der Natur Beschauer und 
Darsteller zugleich. Als Beschauer ist er bemüht, seinen mit Sorgfalt gewählten 
Standpunkt — streng genommen, den Ort seines optischen Wahrnehmens-), 
„sein Auge“ oder „den Gesichtspunkt“ — bei nicht gehemmter Bewegung des 
Kopfes und der Augen möglichst wenig zu verrücken und das abzubildende Objekt mit 
sicherem Blick zu erfassen, um als Darsteller dieses Objekt in richtiger Perspek 
tive wiedergeben zu können. — Man nennt das Beschauen, dessen sich der Künstler 
’) Mit dem Wort „Perspektive“ pflegt man fernerweit eine perspektivische Darstellung zu 
bezeichnen. 
Man nennt diesen Ort auch „Central-Sitz der Sehthätigkeit.“ 
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