Vorwort.
V
mit Begründung veränderliche Werte als zulässig erklärt
(Art. 85 und 115); übrigens sind die von Riess auf
gestellten Tonschichtenpläne ebenfalls nicht im Einklang
mit den von ihm berechneten Hauptwerten. Schätzbare
Versuche von Riess über die Licht- oder Schattenstärken,
welche durch das wiederholte Aufträgen eines unveränder
lichen Tuschtons erreicht werden, sind im Vorliegenden
(Seite 140 unten) verwertet worden.
In demselben Jahr (1871) erschien als letztes wich
tigeres Werk über Beleuchtungskunde „Theorie und
Darstellung der Beleuchtung gesetzmässig ge
stalteter Flächen“ von Dr. L. Burmester, damals
Privatdozent, später Professor an der technischen Hoch
schule zu Dresden. In diesem Werk sind die Lichtstufen
linien oder „Isophoten“ für die „wahre“ Beleuchtung und
ebenso diejenigen für eine „scheinbare“ Beleuchtung
(„Isophengen“) auf rechnerischem Weg, mit Hilfe der
höheren Analysis abgeleitet und durch Vermittlung der
neueren Geometrie graphische Konstruktionen auf die er
haltenen Resultate gegründet. Es stellt höhere Anforde
rungen und verfolgt nur die rein wissenschaftliche Seite
der Probleme, nicht auch die Verwertung bei den im
praktischen Schaffen auftretenden Gebilden. Bei diesen
giebt es ja manche Cylinder- oder Kegelfläche, deren Leit
linie oder Basis, manche Drehungsfläche, deren Meridian
nicht durch eine Gleichung ausgedrückt werden kann,
also dem rechnerischen Verfahren unzugänglich ist.
Die „scheinbare“ Beleuchtung, mit der sich schon die
oben genannten französischen Autoren die Aufgabe un
nötigerweise erschwert haben, ist nach Burmester (S. 2)
„diejenige, welche von der Stellung der beleuchteten
Flächenelemente zur Lichtrichtung und ausserdem von der
Stellung derselben gegen die Sehrichtung abhängt, und
sich also mit der Lage des Gesichtspunktes bei unver
änderter Lichtrichtung ändert,“ wogegen bei der „wahren“
Beleuchtung die Richtung der Sehstrahlen (oder Projektions
lote) nicht in Betracht kommt. Eine mit der scheinbaren
Beleuchtung durchgeführte Darstellung sei „in grösster
Uebereinstimmung mit dem Eindruck, welchen die natür
liche Beleuchtung einer schwachglänzenden Fläche bewirkt“.
Warum im Vorliegenden die „scheinbare“ Beleuchtung
nicht hereingezogen wurde, ist am Anfang des Art. 81
ausgesprochen. Die Mitwirkung der Sehstrahlenrichtung
gegenüber den vom Licht getroffenen Flächen hat bei den
Lichtstufen der „Verkürzungen“ des Kunstmalers volle Be
rechtigung, nicht aber beim Schattieren technischer Ge
bilde. Die Darstellungen von solchen werden durch die
„scheinbare“ Beleuchtung eher in ihrer Anschaulichkeit
beeinträchtigt; sie machen weniger den Eindruck matt
glänzender als denjenigen unrichtig schattierter Körper,
und der Aufwand an graphischer Arbeit, den die Bestim
mung der wirklichen Lichtstufen erfordert, ist auch
ohne die Vermehrung durch eine solche Zugabe wahrlich
gross genug.
Ausser den besprochenen Werken hat die Litteratur
noch verschiedene kleinere Abhandlungen über die Licht
stufenlinien einzelner Flächenarten aufzuweisen, der In
halt dieser kleineren Schriften ist jedoch zumeist in jenen
verwertet.
Stuttgart, im August 1895.
13er Verfasser.