Full text: Lehrbuch der Schattenkonstruktion und Beleuchtungskunde

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Kapitel XI. Artikel 84, 85. 
die Lichtstärke Null darbieten. Diese Voraussetzung kann 
aber nur etwa bei der Mondkugel als erfüllt erklärt wer 
den; sie hat bei dieser zur Folge, dass der im Schatten 
befindliche Teil der Mondscheibe unsichtbar oder fast un 
sichtbar ist. Bei allen Beleuchtungen auf der Erde giebt 
es keine Lichtstärke Null, eben weil die direkten Licht 
strahlen immer Reflexlicht oder Widerschein reichlich her- 
vorrufen, wodurch auch die Schattenflächen in geringerem 
Grad beleuchtet werden. Umgebende Gegenstände oder 
der Fussboden oder Wolkenränder werfen das von der 
Hauptlichtquelle erhaltene Licht nach verschiedenen Rich 
tungen zurück, und ausser diesen Reflexlichtquellen wider 
strahlt die Atmosphäre selber einen nicht geringen Teil 
des Sonnenlichts. Sie ist fortwährend, und zwar bald 
stärker, bald weniger, erfüllt von Staubkörnern und Wasser 
dampfbläschen, welche nicht völlig durchsichtig sind, also 
das empfangene Licht zu einem kleinen Teil nach allen 
Seiten zurückwerfen und durch innere Brechung ablenken 
oder zerstreuen, von welchen auch die abnehmende Farben 
kräftigkeit und Licht- und Schattenstärke der Gegenstände 
mit wachsender Entfernung vom Auge, die sogenannte 
Luftperspektive herrührt. — Die von Fall zu Fall ver 
änderlichen Reflexe von umgebenden Gegenständen bleiben 
für die Darstellungen technischer Gebilde ausser Spiel 
und nur das von der Atmosphäre erzeugte Reflexlicht ist 
zu berücksichtigen. Es lässt sich nach weisen, dass dieses 
zwar nach allen Richtungen des Raums, am stärksten aber 
in derjenigen Richtung wirkt, welche dem Sonnenstrahl 
genau entgegengesetzt ist und in dieser Weise führt 
man es in die Darstellungen ein. Es wird auf die Schatten 
seite der Kugel in derselben Weise wirken wie das direkte 
Licht auf die Lichtseite, nur weit schwächer. Der dem 
hellsten Punkt gerade entgegengesetzte Punkt der Kugel 
fläche (r) erhält die Reflexlichtstrahlen normal zu seiner 
Fläche, wird also der hellste Punkt des Körperschattens 
sein. Die Parallelkreise der Lichtseite werden sich auf 
der Schattenseite symmetrisch als Linien gleicher Schatten 
stärke wiederholen, um so dunkler, je näher sie der 
Körperschattengrenze liegen; nur wird der Unterschied 
zwischen zwei benachbarten Schattenkreisen ein weit 
kleinerer sein als zwischen zwei Kreisen im Licht. So 
mit finden sich die Lichtstärken vom hellsten Punkt h an 
abnehmend bis zur Schattengrenze, dann wieder um ein 
Geringes stetig zunehmend bis zum hellsten Reflexpunkt r. 
84. Lichtstufen im Schlagschatten auf der Kugel. 
und Staubkörner der Atmosphäre seitlich zurückwerfen 
oder durch Brechung seitlich ablenken. Man kann sich 
dieses Licht als parallel zur Ebene des schattenabgrenzen- 
den Grosskreises g k von allen Seiten gegen die Kugel 
strahlend vorstellen, natürlich äusserst schwach. Seine 
Wirkung muss wieder um so geringer sein, je schiefer es 
die Kugelfläche trifft. Im früheren hellsten Lichtpunkt h 
streift es die Fläche nur, also wird dieser Punkt als 
Schlagschattenpunkt der dunkelste Punkt sein. Jeder 
Parallelkreis der früheren beleuchteten Kugelhälfte wird 
auch für den Schlagschatten eine Linie gleich heller 
Punkte sein und die Lichtstärke wird vom dunkelsten 
Schlagschattenpunkt j- an mit jedem solchen Kreis ein 
wenigzunehmen, bis sie im Grosskreis gk dieselbe Stufe 
erreicht wie bei der beleuchteten Kugel. Hienach findet 
sich auf der im Schlagschatten befindlichen Kugel 
eine stetige Abnahme der Lichtstärke vom hellsten Reflex 
punkt r bis zum dunkelsten Schlagschattenpunkt s; bei 
der beleuchteten Kugel erschien die Lichtstärke abnehmend 
und dann wieder wachsend. 
Auch der dunkelste Schlagschattenpunkt ^ hat nicht 
die Lichtstärke Null; er ist noch immer Von demjenigen 
Reflexlicht beleuchtet, das nach allen Seiten strahlt, und 
erreicht dadurch eine Lichtstufe, die zwar gegenüber den 
Lichtflächen verhältnismässig dunkel ist, aber als absoluter 
Wert der Lichtempfindung noch immer recht ansehnlich 
sein kann. 
Es ist also dreierlei Reflexlicht zu Hilfe genommen, 
um die nun abgeleiteten Lichtstufen auf den Schatten 
flächen der Kugel zu begründen / /erstens ein stärkstes 
Reflexlicht, dem direkten entgegengesetzt, das die Körper 
schattenfläche abstuft, zweitens ein mittleres, in der Rich 
tung des schattenabgrenzenden Grosskreises von allen 
Seiten^senkrecht zum,., direkten Licht wirkend, das Streif 
licht erhellend und die Schlagschattenfläche abstufend, 
drittens ein schwächstes Reflexlicht, nach allen Richtungen 
gleichmässig wirkend und auch die dunkelste Schlag 
schattenfläche erhellend. Diese Annahmen über die Reflex 
wirkungen mögen vielleicht ungenügend begründet und 
willkürlich erscheinen; aber es ist für den vorliegenden 
Zweck notwendig, an die Stelle der zahllosen Zufällig 
keiten der Wirklichkeit etwas Unveränderliches zu setzen, 
dessen Ergebnis wenigstens vielen Fällen der Wirklich 
keit nahe kommt und eine Schattierung mit guter An 
schauung der Formen liefert. Dieses Ergebnis muss die 
Annahme rechtfertigen. 
Noch ist zu sprechen über die Abstufung der 
Schlagschatten. Irgend ein Gegenstand werfe einen 
Schlagschatten auf die Kugel, oder die ganze Kugel sei 
im Schlagschatten, so wird zunächst die Kugelhälfte mit 
Körperschaften vom Reflexlicht getroffen werden nach wie 
vor, also unverändert bleiben wie bei der beleuchteten 
Kugel. Die Schlagschattenfläche wird aber von den Reflex 
lichtstrahlen der oben für die Lichtkugel angegebenen 
Richtung nicht mehr erhellt werden können, also dunkler 
sein als der Körperschaften, und dies entspricht der Be 
obachtung. Doch wirkt immer auch noch auf den Schlag 
schatten dasjenige Reflexlicht, das die Wasserbläschen 
Die vier Hauptlichtstufen. 85. 
• 
Wie gross man die Unterschiede zwischen den vier 
Hauptlichtstufen h (hellster Punkt im Licht), k (Körper 
schattengrenzlicht), r (hellster Reflexpunkt) und .? (dunkel 
ster Schlagschattenpunkt) und im Zusammenhang damit 
diejenigen zwischen je zwei Parallelkreisen halten soll, 
kann nicht durch allgemeingültige Verhältniszahlen fest 
gesetzt werden, sondern muss der Beobachtung und dem 
Gefühl überlassen bleiben. 
Die Beobachtung ergiebt, dass diese vier Werte mit 
sehr weiten Grenzen für ihre Verhältnisse mit gleichem
	        
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