Kapitel 11. Artikel 8.
Oberteil der Vertikalebene. Horizontalprojektionen auf
diesem ursprünglich hinter dem Grundsehnitt hegenden
Teil der Horizontalebene werden ebenfalls als verdeckt
bezeichnet, das heisst punktiert.
Auch in den sichtbar gedachten Projektionen der
Körper auf der oberen Vertikalebene und der vorderen
Horizontalebene werden diejenigen Kanten und Linien,
welche bei Auffassung der Projektion als Vorderansicht
beziehungsweise Ansicht von oben vom übrigen verdeckt
und dadurch unsichtbar wären, nur punktiert gezeichnet.
Anstatt der Ansicht von oben (,,Oberansicht“, auch „Drauf
sicht“ genannt) wird eine Horizontalprojektion wohl auch
als Ansicht von unten („Unteransicht“, „Ansicht nach
oben“) behandelt, wenn hierdurch grössere Deutlichkeit
erreicht oder Wichtigeres als sichtbar dargestellt wird.
b) Der Punkt. Ein Punkt A erscheint in der Hori
zontalprojektion als ein Punkt a und ebenso in der Verti
kalprojektion als ein Punkt a‘; beide Projektionen liegen
auf derselben Vertikallinie des Zeichenblattes.
c) Die Gerade. Eine gerade Linie erscheint im
allgemeinen in beiden Projektionen als gerade Linie. Die
Lote, welche ihre Punkte auf die horizontale Grundebene
projizieren, bilden eine Ebene, welche die „horizontal
projizierende“ Ebene der Geraden heisst; sie wird im fol
genden oft auch ihre „vertikalstehende“ oder „vertikale“
Ebene genannt werden. Die Ebene, welche die Gerade
auf die vertikale Grundebene projiziert, heisst die „vertikal
projizierende“.
Die Punkte, in welchen eine Gerade die Grundebenen
schneidet, heissen ihre „Spuren“. Die „Vertikalspur“
einer Geraden liegt auf dem Zeichenblatt vertikal über
(oder unter) dem Punkt, in welchem die Horizontalprojek
tion der Geraden den Grundschnitt schneidet; ebenso liegt
die „Horizontalspur“ vertikal unter (oder über) dem Schnitt
punkt der Vertikalprojektion mit dem Grundschnitt.
Für bestimmte Lagen der Geraden liegt eine Spur
unendlich fern, oder es ist dies mit beiden Spuren der
Fall. Diese Lagen sind die folgenden:
Phne vertikale Gerade erscheint im Grundriss als ein
Punkt, im Aufriss vertikal.
Eine Gerade senkrecht zur Vertikalebene erscheint
im Aufriss als ein Punkt, im Grundriss senkrecht zum
Grundschnitt.
Eine horizontale Gerade erscheint im Aufriss horizon
tal, im Grundriss parallel zu ihrer Lage im Raum.
Eine Gerade parallel zur Vertikalebene erscheint im
Grundriss horizontal, im Aufriss mit der Neigung, die sie
im Raum gegen die Horizontalebene darbietet.
Eine Gerade parallel zum Grundschnitt erscheint in
beiden Projektionen horizontal.
Eine Gerade senkrecht zum Grundschnitt erscheint
in beiden Projektionen vertikal; sie bedarf zu ihrer un-
■ zweideutigen Darstellung der Beifügung der später zu er
klärenden Seitenprojektion. Für eine solche Gerade lassen
sich beide Spuren als im Grundschnitt zusammengefallen
vorstellen.
Ist eine Gerade im Raum in irgend einem Verhältnis
eingeteilt, so sind auch ihre beiden Projektionen in diesem
Verhältnis eingeteilt.
d) Die Kurve. Eine gekrümmte Linie hat im all
gemeinen zwei Kurven als Projektionen ; bei ebenen Kurven
kann eine Projektion geradlinig werden. Tangenten an
einer Kurve projizieren sich als Tangenten an beiden
Kurvenprojektionen.
e) Die Ebene. Eine Ebene kann auf zwei Weisen
dargestellt werden, entweder durch ihre zwei Schnittlinien
mit den Grundebenen, welche als gerade Linien mit Schnitt
punkt im Grundschnitt auftreten und die „Spuren“ der
Ebene heissen, oder durch die zwei Projektionen einer
Figur, welche in der Ebene liegt (Dreieck, Vieleck, Kreis,
beliebig begrenzte Figur, auch wohl nur Winkelfeld zweier
Geraden). Die letzte Darstellungsweise ist für die Schatten
konstruktion die häufigere.
Zwei beliebige Dreiecke, deren Eckpunkte vertikal
übereinander liegen, stellen, aufgefasst als zusammen
gehörige Projektionen, immer eine Eibene dar. Zwei \ iel-
ecke stellen nur dann die Projektionen einer ebenen Figur
dar, wenn nicht nur ihre Eckpunkte, sondern auch die
Schnittpunkte der einander entsprechenden Diagonalen
und Seitenverlängerungen vertikal übereinander liegen.
Bei n Seiten eines Vielecks muss diese Probe (abgesehen
von den Eckpunkten selbst) für mindestens n—3 Schnitt
punkte erfüllt sein; dann ist sie für alle erfüllt.
Eine horizontale Ebene hat nur eine Spur, und zwar
eine horizontal gerichtete Vertikalspur. Die Horizontal
projektion einer in einer solchen Ebene liegenden Figur
ist der Figur kongruent.
' Eine vertikale Ebene parallel zum Grundschnitt hat
nur eine Spur, und zwar eine horizontal gerichtete Hori
zontalspur. Die Vertikalprojektion einer in einer solchen
Ebene liegenden Figur ist der Figur kongruent.
Eine schief zum Grundschnitt stehende Vertikalebene
hat eine vertikale Vertikalspur und eine schief gerichtete
Horizontalspur.
Pane geneigte Ebene, die senkrecht zur Vertikalebene
steht, hat eine senkrecht zum Grundschnitt stehende Hori
zontalspur und eine schief gerichtete Vertikalspur.
Eine geneigte PTene parallel zum Grundschnitt hat
zwei horizontal gerichtete Spuren.
Pane Ebene senkrecht zum Grundschnitt hat zwei über
einander stehende Vertikallinien als Spuren.
jede Ebene, die nicht ganz horizontal ist, enthält eine
horizontale Linienrichtung und eine zu dieser senkrechte
Linienrichtung, welche die steilste Linienrichtung auf der
Ebene ist und zugleich die Neigung der Plbene gegen die
Horizontillebene darbietet, weshalb sie die Richtung der
„Gefällslinie“ der Ebene heisst. Jede horizontale Richtungs
linie der Plbene erscheint im Aufriss horizontal und im
Grundriss parallel der Horizontalspur der Ebene; jede Ge
fällslinie erscheint im Grundriss senkrecht zur Horizontal-
j spur der P>bene oder Horizontalprojektion der Richtungs
linie. Die beiden Projektionen einer Gefällslinie bestimmen
für sich allein die P'bene, der sie angehört.
Unter „Neigung“ einer Ebene oder Geraden kurzweg
ist immer die Neigung gegen die Horizontalebene ver
standen.
f) Gerade und Gerade. Zwei Gerade sind im
Raum parallel, wenn auf jeder Grundebene ihre beiden