Kapitel IX. Artikel 72, 73.
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nommen jene horizontalen Abscissen nicht von den Punkten
der Schraubenlinien aus zu ziehen, sondern von denen der
Tangenten an den Schraubenlinien in deren Fusspunkten
auf der aufgewickelten Kreislinie, womit die Verdrehung
der Normalschnittprofillinien aus ihrer Ebene heraus ver
mieden wäre. Doch würde sich die so erzeugte strenge
Röhrenfläche der Wandfläche nicht anschmiegen, sondern
zwischen Scheitel und Bogenfuss klaffen, weil die Radien der
ursprünglich ebenen Bogenlinie nach deren Aufwicklung
nicht in die Cylinderfläche fallen, wenn sie gerade bleiben.
Für eine strenge Röhrenfläche mit beliebig gewundener
Leitlinie ist schon das Aufzeichnen der Umrisse und Kanten
der Fläche eine sehr zeitraubende Arbeit, mehr noch die
Schattenkonstruktion; doch mag sie in den Grundzügen
hier beschrieben werden. Sind nur Körperschattengrenzen
zu suchen, so kann die Auffassung jedes Normalschnitts
als eines kurzen Cylinderstücks zur Lösung dienen. Als
gegeben ist zu betrachten (Figur 72 b) erstens die Profil
linie der Röhre F P H J mit Beifügung einer in ihrer
Ebene liegenden Geraden PN, welche die in allen Normal
schnitten unveränderliche Lage der Hauptnormalen zur
Leitlinie gegenüber der Profillinie darstellen soll, zweitens
die Projektionen p bp‘ b‘ der Tangente an der Leitlinie in
dem für einen Normalschnitt ausgewählten Punkt pp‘ der
Leitlinie, drittens die beiden Projektionen p 71 p‘ n‘ der Haupt-
nornralen im Punkt //', welche senkrecht zur Tangente
p b p‘ b‘ gerichtet sein muss und für den gewählten Normal
schnitt horizontal angenommen ist, aber auch geneigt sein
könnte.
Nach Art. 48 ist der Lichtstrahl auf die Normalschnitt
ebene zu projizieren und zwar in der Richtung der Mantel
linie des gedachten Cylinders, also rechtwinklig. Werden
an den Normalschnitt mit der so erhaltenen, für seine
Ebene gültigen Lichtrichtung Tangenten gezogen, so ge
hören deren Berührungspunkte der gesuchten Körper
schattengrenze an.
Die Richtung der Spuren S R und R T der Normal
schnittebene ist rasch erhältlich; sie stehen senkrecht zu
den gleichnamigen Projektionen /' b‘ und / b der Tangente.
Da die Hauptnormale in der Normalschnittebene liegt, so
müssen die Spuren der letzten durch die Spuren der ersten
gehen, also muss die Vertikalspur S R durch m‘ gezogen
werden.
Um den durch den Winkelpunkt R der Spuren ge
zogenen Lichtstrahl rechtwinklig auf die Normalschnittebene
zu projizieren, fällt man aus einem beliebigen Punkt xx‘
des Lichtstrahls ein Loth xy x‘ y‘ auf diese Ebene und
verbindet den Fusspunkt yy‘ dieses Lothes mit dem Winkel
punkt R\ die Verbindungslinie Ry Ry‘ giebt die in der
Normalschnittebene gültige Lichtrichtung an.
Man klappt nun die Normalschnittebene samt dieser
Lichtrichtung und der Hauptnormalen in eine Grundebene
um, fügt in der Umklappung an die Hauptnormale PN
die Profillinie der Röhre F P HJ in der gegebenen Lage
und bestimmt die Berührungspunkte K und L der in der
gefundenen Lichtrichtung Y R gezogenen Tangenten an
der Profillinie. Durch Zurückklappen dieser Punkte und
einer genügenden Zahl von andern Punkten C der Profil
linie erhält man in den Projektionen gleichzeitig die Schatten
punkte und die zum Zeichnen der Umrisslinie der Röhre
notwendigen Normalschnittlinien.
Sind auch Schlagschattengrenzen zu bestimmen, so
verschafft man sich mit Hilfe der Umklappung nur die
zwei Projektionen der Normalschnittlinie für eine Reihe
von Punkten pp\ verbindet kongruent liegende Punkte cc',
um die Kurven zu erhalten, welche bestimmte Punkte der
Profillinie bei Erzeugung der Fläche durchlaufen, und be
nützt diese Kurven zur Durchführung des allgemeinen
Verfahrens für gekrümmte Flächen.
Röhrenflächen mit veränderlichem Normal-73.
schnitt.
In Figur 73 ist eine solche Fläche gezeichnet. Die
Leitlinie als Mittellinie einer Volutenkonsole ist eine ebene
Kurve; ihre Ebene ist parallel zur Seitenebene; sie erscheint
also in der als Linksansicht gezeichneten Seitenprojektion
in ihrer wahren Gestalt. Die Erzeugende ist eine Wellen
linie, die geometrisch ähnlich bleibend im Fortschreiten
nach unten ihre Pfeilhöhen im selben Mass verjüngt, wie
ihre Längen sich zwischen den beiden senkrecht zur Vertikal
ebene stehenden Grenzebenen vermindern. Diese Normal
schnitte oder Lagen der Erzeugenden projizieren sich in
der Seitenprojektion als gerade Linien normal zur Leitlinie.
Die Schattenkonstruktion ist die strenge Durchführung
des allgemeinen Verfahrens mit Benützung der seitlich
projizierenden Lichtstrahlenebenen als Schnittebenen, wobei
sich eine interessante Schnittkurvengruppe auf einfachem
Weg ergeben hat.
Für solche Flächen mit gewundenen Leitlinien (Bei-