Full text: Lehrbuch der Schattenkonstruktion und Beleuchtungskunde

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Vorwort. 
und minder leichten Problemen die kleineren Stufen dar 
bieten, durch deren müheloses Ueberschreiten die Raum 
anschauung allmählich sich befestigt und erweitert, bis sie 
auch die schwierigsten Fälle zu überwinden vermag. Der 
spätere Teil der Sammlung dürfte durch manches unmittel 
bar der Praxis entnommene Nachdenken erfordernde Pro 
blem auch bei dem Sachverständigen Interesse erwecken. 
Die Beleuchtungskunde oder Lehre von den 
Lichtstufen erscheint im Vorliegenden mit scharfer Son 
derung von der Schattenkonstruktionslehre ausschliesslich 
als Lehre von der Normalkugel und ihrer Ver 
wertung für andere Körper. Die Entstehung dieser 
Theorie liegt nur wenige Jahrzehnte zurück. 
Nachdem ältere französische Autoren (Monge, Olivier, 
Leroy) schon seit Ende des vorigen Jahrhunderts den Be 
griff der Linien gleicher Helle oder Lichtstufenlinien auf 
den Flächen festgestellt und diese Linien zwar für die 
Kugel bestimmt, aber zu einem praktisch verwertbaren 
Resultat für andere Flächen auf dem eingeschlagenen Weg ; 
der Rechnung nicht vorzudringen vermocht hatten, erschien 
im Jahr 1855 als Festschrift der polytechnischen Schule 
zu Stuttgart eine „Abhandlung über das Schat 
tieren der Oberflächen regelmässiger Körper“ 
von J. Egle, damals Professor an dieser Schule, später 
Vorstand der Baugewerkeschule und Hofbaudirektor in 
Stuttgart. Diese Abhandlung enthält auf dem engen Raum 
von 18 Seiten mit einer Figurentafel, aber doch mit allen 
wesentlichen Zügen, die im Vorliegenden weiter ausge 
führte Bestimmung der Lichtstufenlinien der Kugel durch 
Einteilung des Durchmessers in gleiche Teile und die Ver 
wertung der hiedurch erhaltenen Kugel für ebenbegrenzte 
Körper, gerade Kreiskegel- und Kreiscylinderflächen, Dre 
hungsflächen und Schraubenflächen, endlich das Schat 
tieren auf Grund der erhaltenen Linien mit gleich starken 
Tonschichten. In Beziehung auf die Einführung eines 
einfachen geometrischen Verfahrens für die Linien gleicher 
Helle auf den meist auftretenden Flächen gebührt also 
dieser Schrift der Vorrang vor allen ähnlichen. 
Im Jahr 1862 folgte „Die Lehre von den geo 
metrischen Beleuchtungskonstruktionen“ von 
Franz Tils eher, Professor an der K. K. Genieakademie 
in Wien. In diesem verdienstvollen, aber etwas anstren 
gend zu studierenden Werk ist die Konstruktion der Licht 
stufenlinien ohne Hilfe der Normalkugel und mit 
Ausdehnung auf schiefe Gylinder- und Kegelflächen, das 
dreiachsige Ellipsoid, das hyperbolische Paraboloid, die 
gewundene Säule, die schraubenförmige Röhre durchge 
führt. Tilscher spricht von seinem Verfahren als von einer 
direkten Darstellung der Schattierung gegenüber der 
Zuhilfenahme der Kugel; doch ist einleuchtend, dass man 
ohne Massstab nicht messen kann, dass er also die Licht 
stufen nur mit einem andern Massstab misst. Dieser 
andere Massstab ist teils ein Bündel von Ebenen mit ge 
meinschaftlicher Schnittlinie, teils ein System von geraden 
Kreiskegelflächen mit gemeinschaftlicher Spitze und einem 
Lichtstrahl als gemeinschaftlicher Achse. Jeder solche 
Kegel ist auf seiner ganzen Oberfläche gleich stark be 
leuchtet, und zwar wird seine Lichtstufe abhängen von 
dem Winkel, den seine Mantellinien mit der Achse ein- 
schliessen. Es wird Kegelflächen mit ganzzahligen Licht 
stufen geben, und diese werden ähnlich benützt werden 
können wie die ganzzahligen Lichtstufen kreise der Kugel. 
Bei der beliebigen Kegelfläche gestaltet sich die Lösung 
dem Grundgedanken nach sehr einfach; legt man durch 
die Spitze des gegebenen Kegels einen ganzzahligen Licht 
stufenkegel und zieht in irgend einer Schnittebene beider 
Kegel eine gemeinschaftliche Tangente an beide Schnitt 
linien, so hat der Berührungspunkt auf dem gegebenen 
Kegel die ganzzahlige Lichtstufe des Hilfskegels. Der Ge 
danke solcher Hilfskegel war übrigens ebenfalls schon 
in der Egle’schen Abhandlung (Seite 10) ausgesprochen 
worden. 
Die Tilscher’schen Konstruktionen sind entschieden 
schwieriger und zeitraubender als diejenigen mit der Nor 
malkugel, abgesehen vielleicht von der schiefen Kegel 
fläche, der sich sein Verfahren am besten anschliesst. 
Tilschers Vorwurf gegen die Normalkugeltheorie, dass bei 
veränderter Lichtrichtung zuvor eine neue Hilfskugel zu 
zeichnen sei, trifft allerdings zu, wogegen seine Methode 
für diesen Fall keine neuen Hilfsmittel erfordert; aber die 
Veränderung der Lichtrichtung ist sehr selten, und die 
durch die neue Kugel erwachsende Mehrarbeit wenigstens 
bei den schwierigeren Konstruktionen verhältnismässig 
gering. Tilscher erhebt ferner den Vorwurf, dass die 
Theorie der Hilfskugel „nicht allgemein durchgeführt sei, 
da sie für windschiefe Flächen keine geeigneten und 
genügenden Anhaltspunkte biete“. Aber schon in der 
Egle’schen Abhandlung waren doch die windschiefen 
Schraubenflächen betrachtet; sie hatte auch ausdrücklich 
„eine vollständige Durchführung des gegebenen Themas 
nicht angestrebt“ und nur aus diesem Grund „das Her 
beiziehen von anderen Arten von Flächen unterlassen“. 
Im vorliegenden Buch sind auf Grund der Normalkugel 
theorie nicht nur alle von Tilscher neu gewählten Flächen 
behandelt, sondern noch andere mit neuen besonderen 
Lösungen (Konoide, Röhrenflächen mit beliebigen Nor 
malschnitten u. s. w.); endlich sind zum erstenmal allge 
meine Verfahren für die Bestimmung der Lichtstufen 
linien auf beliebig gekrümmten, sogar gesetzlosen, nur 
durch Höhenkurven gegebenen Flächen gezeigt (Art. in 
bis 113). 
Die in der Egle’schen Abhandlung in den Grundzügen 
gegebenen Konstruktionen wurden weiter ausgeführt von 
C. Riess, Professor an der K. Baugewerkeschule zu Stutt 
gart (Schattierungskunde, Stuttgart 1871). Von 
den schwierigeren Flächen erscheinen hier neu behandelt 
die schraubenförmige Wulstfläche und das hyperbolische 
Paraboloid als Regelfläche aufgefasst. Die ausschliesslich 
auf die Beleuchtungskunde gerichtete Schrift legt übrigens 
den Hauptwert nicht auf die Konstruktionen, sondern auf 
die Zahlenwerte für die Lichtstufen und eine neue, mög 
lichst mit der Wirklichkeit übereinstimmende Lage der 
Lichtstufenlinien auf der Normalkugel. In der letzten Be 
ziehung ist auf die Anmerkung am Fuss der Seiten 141 
bis 143 des Vorliegenden zu verweisen. Gegenüber den 
von Riess berechneten vier Hauptwerten der Lichtstufen 
(h — 1, k = Pe, r = J / 4 , s = V 4 ) sind im Vorliegenden
	        
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