B. Beleuchtungskunde oder Lehre von den Lichtstufen.
Während in der Schattenkonstruktionslehre nur Lichtflächen, Kürperschattenflächen und Schlag
schattenflächen an den dargestellten Gebilden auftraten und nur die Grenzlinien dieser drei Flächen zu suchen waren,
ist die Beleuchtungskunde, wie früher ausgesprochen, die Lehre von den feineren Unterschieden der Schattie
rung, von der Abstufung der Lichtstärken auf den beleuchteten oder im Schatten befindlichen Flächen eines
Körpers. Sie stellt sich zunächst die Frage: „Wie gross ist unter Voraussetzung der eingeführten Richtung der
Lichtstrahlen die Stärke der Beleuchtung an jedem einzelnen Punkt der Oberfläche des darzustellenden Körpers? u
und sucht auf den gekrümmten Flächen ununterbrochene Linien, von welchen jede die Punkte einer bestimmten
Lichtstärke zusammenfasst.
XI. Die Normalkugel.
81. Das Gesetz der Lichtstufen.
Eine genügend einfache und deutliche Formenwieder
gabe der technischen Gebilde mit Hilfe der Schattierung
ist nur möglich unter der Voraussetzung einfarbiger, nicht
glänzender, nicht erheblich durchscheinender Oberflächen,
für welche eine Aenderung der Stellung des anschauenden
Auges eine merkliche Aenderung der wahrgenommenen
Beleuchtungsstufen nicht herbeiführt. Gekrümmte Spiegel
flächen, die alles auf sie fallende Licht regelmässig
zurückwerfen und ihr Aussehen mit jedem Standpunkt
ändern, schattieren sich überhaupt nicht, sondern zeigen
nur Spiegelbilder äusserer Dinge; für minder stark glän
zende Oberflächen müsste immer ein bestimmtes Ver
hältnis zwischen der Menge des regelmässig zurück
geworfenen und zerstreut reflektierten Lichtes fest
gesetzt werden, um ihre Lichtstufen verfolgen zu können;
auch wäre immer ausser der Lichtrichtung ein Standpunkt
des betrachtenden Auges oder eine Richtung paralleler
Sehstrahlen einzuführen, welchen gegenüber das phvsi-
kalische Gesetz von der Zurückwerfung des Lichtes an
zuwenden wäre, wodurch die Bestimmung der Lichtstufen
äusserst umständlich und schwierig werden müsste. Eine
so erhaltene Schattierung, etwa für ein Ellipsoid, würde
das formale Gesetz der Fläche weit weniger deutlich
fühlen lassen, als diejenige für eine nicht glänzende Ober
fläche, wie am besten die Photographie beweisen kann;
die Darstellung würde also trotz des grösseren Aufwandes
weniger erklären als sie erklären soll. Wenn es auch
der Theorie nach kaum eine Fläche geben mag, die nicht
bei Sonnenbeleuchtung einiges Glanzlicht in einer be
stimmten Richtung zurück wirft, so lehrt doch die Be
obachtung, dass die Schattierung auf solchen Stoffen,
die nach der gewöhnlichen Auffassung als glanzlos be
zeichnet werden, sich mit der Bewegung des Auges nicht
merklich ändert, dass es also gerechtfertigt ist, von einer
scheinbaren Beleuchtung, die gleichzeitig von der
Lichtrichtung und Sehstrahlenrichtung abhängig wäre, bei
der Schattierung technischer Gebilde Umgang zu
nehmen. Anders ist es in der künstlerischen Malerei.
Die Annahme einer Beleuchtung nicht glänzender,
nicht erheblich durchscheinender Oberflächen durch par
allele Lichtstrahlen, welche andere Lichtquellen nicht er
zeugen, führt zu der von der Beobachtung bestätigten
Folgerung, dass die vom Licht senkrecht getroffenen
Stellen einer Körperoberfläche die hellsten sind, und dass
die Lichtstärke um so geringer wird, je schiefer die Licht
strahlen die Fläche treffen. Dabei richten sich die Licht
stärken nach folgendem Gesetz:
,,Die Lichtstärken verschieden gerichteter beleuchteter
Ebenen verhalten sich wie die Sinuse der Winkel, unter