Full text: Johann Georg Soldner und sein System der Bayerischen Landesvermessung

sind aber so ausserordentlich klein, dass man deren jährlichen Betrag 
mit den allerfeinsten Instrumenten nicht zu messen vermag. Wenn jedoch 
die Lage gegebener Fixsterne gegen gewisse Punkte und Kreise des Him 
mels Tag für Tag und Jahr für Jahr genau bestimmt und diese Arbeit 
Jahrzehnte und selbst Jahrhunderte lang fortgesetzt wird, so ergibt die 
Vergleichung solcher zeitlich weit auseinander gerückten Lagenbestim 
mungen doch so merkliche Unterschiede, dass aus ihnen sowohl auf das 
Dasein einer fortschreitenden Bewegung der Fixsterne als auch auf die 
Richtung dieser Bewegung geschlossen werden kann, wie ja auch auf 
Grund solcher fast hundertjähriger Beobachtungen gefolgert wurde, dass 
sich unsere Sonne, abgesehen von ihrer Axendrehung, gegen eine be 
stimmte Stelle im Sternbilde des Herkules hinbewegt. Nur Selbstverleug 
nung kann aber einen beobachtenden Astronomen bestimmen, mühsame 
Arbeiten auszuführen, die ihm zur Zeit ihrer Veröffentlichung und selbst 
während eines langen Lebens nicht einmal ein Bischen Ehre einzutragen 
vermögen, da ihr Wert in der Regel erst nach seinem Tode durch Ver 
gleichung mit anderen vorausgehenden und nachfolgenden Beobachtungen 
erkannt werden kann. 
Unter Soldners rein mathematischen Abhandlungen nimmt die fran 
zösisch geschriebene und im Jahre 1809 hier bei Lindauer gedruckte 
„Theorie und Tafeln einer neuen transzendenten Funktion“ eine hervor 
ragende Stelle ein. Sie handelt von den Integrallogarithmen und zeigt 
in einigen Fällen die Anwendung derselben auf Probleme der höheren 
Analysis. Veranlassung zur Erfindung und Bearbeitung der in Rede 
stehenden Funktion erhielt Soldner bei dem Entwürfe seiner schon er 
wähnten Denkschrift über die Berechnung geodätischer Dreiecksnetze, in 
der sie auch bei der Untersuchung der Eigenschaften der kürzesten Linie 
auf dem Sphäroide eine wichtige Rolle spielt 6 ). 
Von seinen geodätischen Schriften sei hier zunächst der „Vorschlag 
zu einer Gradmessung in Afrika“ genannt, den Soldner schon im Jahre 
1804 in Zachs „Monatlicher Korrespondenz zur Beförderung der Erd- und 
Himmelskunde“ machte. Es ist dieser Vorschlag noch heute beachtenswert 
und eigentlich jetzt erst ausführbar, wo das grosse wissenschaftliche Unter 
nehmen der Europäischen Gradmessung im Gange und das von Soldner 
ins Auge gefasste Territorium, das Kongogebiet, unter den Schutz Euro-
	        
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