Full text: Das Verebnen der Kugeloberfläche für Gradnetzentwürfe

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centralen nennen, insofern der Augenpunkt in der Mitte der Kugel 
angenommen wird. Aber Tissot, einer der hervorragendsten Forscher 
und Schriftsteller über Kartenprojektionen, dehnt den Begriff central 
auf alle Gradnetzentwürfe aus, bei denen die Punkte der Kugelober 
fläche in der Bildebene um den Berührungspunkt nach ihren gerad 
linigen Richtungen von diesem aus geordnet werden, so dafs auch 
unsere speichentreuen und reifentreuen Radkarten so wie die sämt 
lichen perspektivischen Abbildungen zu ihnen gehören; er nennt cen 
tral, was ich strahlig nenne. Ferner wird dieser Entwurf wegen seiner 
Benutzung bei dem Zeichnen der Sonnenuhren von den Franzosen 
und Engländern auch der gnomonische genannt; aber der reifentreue 
kann ebenfalls zu gnomonischen Zwecken gebraucht werden. Am besten 
ist es wohl, wenn man ihm den Namen giebt, der auf seiner ihm aus- 
schliefslich zukommenden Eigenschaft beruht, dafs der kürzeste Weg 
zwischen zwei Punkten der Kugeloberfläche in der Bildebene als ge 
rade Linie erscheint, und ihn deshalb den orthodromischen oder ge- 
radwegigen nennt. Auch dieser Entwurf findet seine Verwendung 
fast ausschliefslich in der Astronomie, nämlich bei der Zeichnung von 
Sternkarten. Der Versuch ihn zu Landkarten zu benutzen, hat mit 
Recht keinen Beifall gefunden. Allerdings kann man sich seiner in 
der Nautik beim Segeln im gröfsten Kreise bedienen, um durch Ziehung 
einer geraden Linie vom Abfahrtsorte bis zum Bestimmungsorte die 
Breiten zu bestimmen, auf denen der die beiden Orte verbindende 
Hauptbogen die zwischenliegenden Meridiane schneidet. Aber eine 
einfache Rechnung leistet ganz dasselbe viel genauer, und dann hat 
das Segeln im gröfsten Kreise auch keineswegs eine so grofse Be 
deutung, wie man sich das in nichtseemännischen Kreisen einbildet. 
Die Behauptung, dafs Leibniz der erste gewesen sei, der die Be 
nutzung der geradwegigen Karte für die Nautik empfohlen habe, be 
ruht auf einem Irrtum. Schon vor ihm ist das in England geschehen. 
Der Schiffskapitän Samuel Sturmy in seinem Werke: The Mariners 
Magazine, London 1679 fol. zeigt, wie man mit Hülfe einer Tangenten 
skale ein orthodromisches Gradnetz entwirft, und giebt die Zeichnung 
für einen Kreisquadranten in Polarprojektion bis zu 13° Breite. You 
mag set down therein the two places, you are to sail between, according 
to their latitudes and longitudes and then only by your ruler draw a 
straight line frotn the one place to the other which will represent the 
great circle, which passeth between those places, and will cross those degrees 
of longitude and latitude, which you must sail by. Als Erläuterung 
legt er darin den Hauptbogen zwischen Lundy Island und Barbados 
nieder. Leibniz weist auf die Benutzung dieses Gradnetzentwurfes für 
nautische Zwecke erst in einer Abhandlung vom Jahre 1691 hin.
	        
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