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Man kann deshalb die so entstandenen Gradnetze ganz passend als
strahlige (radius = Strahl = Halbmesser = Speiche) bezeichnen, während
sie sonst auch azimuthale genannt werden.
§ 22. Zu ihnen würde nun noch eine ganze Reihe von Entwürfen
kommen, die aus perspektivischen Betrachtungen abgeleitet sind, aber
sie verdienen für die ausübende Kartographie samt und sonders keine
Berücksichtigung. Die drei dafür verwendbaren, die unter den sechs
strahlisren bereits oben behandelt sind, nämlich die beiden für den
Astronomen notwendigen und von der Natur selbst geforderten, also
natürlichen perspektivischen Entwürfe, den orthographischen und den
orthodromischen, hatte schon das Altertum geliefert und damit auch
alles Gute, was die Perspektive leisten konnte; denn der dritte, auch
für den Geographen wichtige Entwurf, der stereographische, sollte gar
nicht aus perspektivischen Betrachtungen abgeleitet werden, weil es,
um dies noch einmal zu betonen, unnatürlich ist, dafs sich ein Be
obachter, der eine Karte von Spanien zu zeichnen hat, wenn auch
nur in Gedanken nach Neuseeland versetzen soll, um durch die Kugel
hindurch das von unten zu sehen, was er in Wirklichkeit von aufsen
und von oben sieht; weil es unnatürlich ist, dafs von ihm verlangt
wird, das nächste als das entfernteste zu betrachten, und weil es un
natürlich ist, wenn rechts mit links und links mit rechts vertauscht
wird. Ich habe immer gefunden, dafs gerade die tüchtigsten und
gesündesten Köpfe unter meinen Schülern einer solchen Zumutung am
meisten widerstrebten. Es hat der Ausbildung der Lehre von den Grad
netzentwürfen geradezu geschadet, dafs man sich darauf gesteift hat, sie
durch die Perspektive zu begründen. Mühe und Arbeit sind dabei
nutzlos vergeudet. Ein Beispiel und einen Beweis dafür liefern die
Bestrebungen, den äquidistanten oder speichentreuen Netzentwurf durch
die Wahl eines Augenpunktes auf dem Wege der Perspektive her
zustellen, während man doch nur den Meridian abzuwickeln braucht,
um die Aufgabe auf dem einfachsten Wege in aller Strenge zu lösen.
La Hire halbierte zu dem Zwecke den Meridianquadranten CF in D
und den Kugelhalbmesser Mt in E und verlängerte dann die Ver
bindungslinie DE bis zum Schnittpunkte mit dem verlängerten Kugel
halbmesser in A. Der Augenpunkt wurde nun von ihm in die Ent
fernung MA vom Kugel mittelpunkte gesetzt. Für den Kugelhalb
messer =■ 1 wird in diesem Falle ME = \ und MG = GD = cos 45°
= sin 45° = £ 1 }/"2. Zieht man dann EH parallel mit MG, so hat
man: