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schliefslich eine Bahn aufgeschnitten und der Schirm so weit gespannt,
his sich die Bügel rechtwinklig gegen den Stock in eine Ebene leg
ten. Natürlich verengten sich dabei die Winkel zwischen ihnen, und
wir erhielten unter allgemeiner Heiterkeit eine Kegelprojektion. Und
hätte ich nicht schon früher, wenn man das so nennen will, ein Vor
urteil gegen die Kegelprojektionen gehabt, so w r äre ich von ihnen gründ
lich geheilt worden durch die von Zöppritz gegebene und so warm
empfohlene Darstellung Afrika’s in der flächentreuen perigonalen
Kegelprojektion Tissot’s; vgl. die Zeitschrift der Gesellschaft für Erd
kunde 1884, XIX. Band S. 1. (vgl. Bildtafel 6.) Sollte es wirk
lich einen Kartographen von gesunden Sinnen geben, der ein so ver
unstaltetes, in der. Mitte geknicktes und mit zerrissenen Meridianen
ausgestattetes Bild in seinen Atlas aufnehmen möchte? Ich glaube
nicht. Man möge doch einmal Afrika in einem der drei gerad-
säuligen Netze, dem höhentreuen oder dem flächentreuen oder
dem winkeltreuen, oder auch in dem strahlig - flächentreuen Grad
netze von Lambert oder in dem sinuslinig-flächentreuen Mercator’s
abbilden und ein jedes dieser Bilder zugleich mit demjenigen
Tissot’s gegen das vom Globus unmittelbar gebotene halten; für den
unbefangenen Beschauer kann das Urteil nicht einen Augenblick schwan
ken. Aber auf solche Abwege führt die Anbetung der Formel. Es
ist ja richtig, dafs nicht nur hei den Kegelprojektionen, sondern auch
bei vielen anderen die Winkel am Pole stark verzerrt werden, und
dafs namentlich auf der Seekartenprojektion diese Winkel = 0 sind.
Aber was diese letztere betrifft, so liegt der Pol in unendlicher Ferne,
und es hat mir nie Schwierigkeit gemacht, den jungen Leuten den
unendlich fernen Punkt als den Durchschnittspunkt der parallelen
Meridiane darzustellen. Auch hier hat mir die Perspektive die besten
Dienste geleistet. Jeder von ihnen konnte begreifen, dafs hei einer
aufrecht stehenden und bis ins Unendliche aufstrebenden Leiter, die
höheren Sprossen dem Auge immer kleiner und kleiner erscheinen und
schliefslich in einen Punkt zusammenschwinden müssen. Es ist nicht
möglich, in diesem kurzen Abrisse auf alle mir vorschwebenden berech
tigten und unberechtigten Einwände gegen meine hier vorgebrachten
Ansichten einzugehen, aber auf zwei wichtige Punkte möchte ich doch
noch hinweisen. Die Erfinder von winkeltreuen Gradnetzentwürfen
beachten zu wenig, dafs mit der Ähnlichkeit in den kleinsten Teilen
zugleich eine grobe Verunstaltung des Gesamtbildes Hand in Hand
gehen kann. Eben aus diesem Grunde halte ich die Bezeichnung kon
form, auf eine wie grofse Autorität sie sich auch stützt, nicht für die
geeignete. Man vergleiche einmal das Bild Amerika’s in Mercators
winkeltreuer Seekartenprojektion mit dem in Mercators flächentreuer