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geworden sind, wie Logarithme, Sinus usw. nicht verdeutscht werden
sollen, darüber braucht man kein Wort zu verlieren. Aber es ist
doch ein wahrer Segen, dafs wir die altfränkischen Ausdrücke Triangel,
Chorde, Perpendikel durch Dreieck, Sehne, Lot ersetzt haben; und ich
habe geglaubt, auf diesem Wege zu Nutz und Frommen meiner
Schüler weiter gehen zu können. Ich habe beim Unterrichte, ohne
dadurch den geringsten Anstofs zu geben, eine ganze Anzahl deutscher
Ausdrücke eingeführt. Für concentriseli und excentrisch sagten wir
einmittig und ausmittig. Für parallel sagten wir gleisig, für Paral
lelen Gleisen, für Parallelogramm Gleiseck und nannten den von sechs
Gleisecken gebildeten Körper im Anschlufs an die Worte Kugel, Kegel,
Würfel ein Gleisel. Die jungen Leute nahmen das Wort als ein sich
von selbst verstehendes unbefangen hin, und wenn ich ihnen dann
später sagte, dafs die gelehrten Herrn dafür das Wort Parallelepipedon
gebrauchten, so wurde das mit stürmischer Heiterkeit begrüfst. Für
Parallaxe, was dem Anfänger einen tiefliegenden Sinn, ein wichtiges
Geheimnis zu bergen scheint, während es doch nichts anderes als Ver
schiebung der Gesichtslinie bedeutet, sagten wir Verschub. Und wenn
die Griechen die Figur, die wie das Sitzbrett eines Stuhles gestaltet
ist, eben deshalb Trapez nannten, so glaubten wir sie mit demselben
Rechte als Stuhleck bezeichnen zu dürfen. War das Wort nur erst
einigemal gebraucht, so dachte niemand mehr an die ursprüngliche
Bedeutung; der Laut allein gab unmittelbar die Vorstellung. Wer
denkt denn bei den technischen Ausdrücken Bock, Krahn, Hahn u. a.
noch daran, dafs das eigentlich Tiere sind? Hätten wir nicht schon
längst bei der Luftpumpe das Wort Stiefel, welches Hohngeschrei
würden die Pedanten erheben, wenn es erst jetzt zur Einführung vor
geschlagen würde. Durch unsere gelehrte Verbildung ist uns das
sprachliche Erfindungsvermögen, das unsere Vorfahren in ihrer naiven
Anschauungsweise noch besafsen, ganz verloren gegangen. Ich weifs
mich vom Purismus in der häfslichen Nebenbedeutung des Wortes
ganz frei; aber als Lehrer habe ich die Erfahrung gemacht, dafs man
dem Schüler den Eingang in die Wissenschaft wesentlich erleichtert,
wenn man statt eines erst zu erklärenden Fremdwortes ein sich selbst
erklärendes deutsches Wort gebraucht. Und das hat mich veranlafst,
auch bei dem Unterrichte in der Lehre von den Gradnetzentwürfen
nach deutschen Benennungen zu suchen. Man hat sich wohl mit der
Frage an mich gewandt, in welcher Schrift ich für die Ausdrücke
winkeltreu und flächentreu eingetreten sei. Es ist das nirgend ge
schehen, sie sind durch Zufall bekannt geworden. Während des
Geographentages in Halle 1882 fanden sich nach vollbrachter Tages
arbeit mehrere Teilnehmer, die Herren Debes, Günther, Zöppritz und