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D. Casuistik. §. 19.
Satz rechtfertigt sich nach Analogie der Strafbestim
mungen der lex Aquilia.
Im Grunde verstößt der bezügl. Entscheidungsgrund des
römischen Rechts gegen die allgemeine Regel, daß nur der
einen Klagsanspruch gerichtlich verfolgen kann, welcher ihn
vollständig zu erweisen im Stande ist, und es könnte deß
halb zweifelhaft erscheinen, ob die Entscheidung auch für-
andere Fälle anwendbar ist. Allein der fragliche Rechts-
satz erscheint in der Art juristisch gegründet, daß derselbe
ohne Zweifel eine analoge Ausdehnung 7 ) zulassen dürste;
speciell für das röm. R. beweist der Entscheidungsgrund
Julians in I. 51 8- 2 in k. D. ad 1. Aquil:
„Quod si quis absurde a nobis haec constitui pu-
taverit, cogitet, 1 onge absurdius constitui, Neu
trum lege Aquilia teneri, aut alterum potius, —
cum ueque impunita maleficia esse oporteat etc.“
daß cs in der Absicht des römischen Rechts liegt, den
Satz wenigstens bei allen Pönalklagen — denn auch
7) Diese im positiven Rechte sich vorfindende eclatante Befol
gung des von Jhering (Geist des röm. Rs. Thl. II, 2 8- 38 S. 347)
so genannten „Prinzips der Praktikabilität" ist offenbar analog aus
dehnbar; der Grundsatz ist nämlich keineswegs singulär, sondern für
die praktische Handlung des Rechts sogar allgemein nothwendig.
Die praktische Erfahrung zeigt nämlich, daß eine Ermittlung des
Thäters unter mehreren fast immer unmöglich wäre, und der letztere
stets straflos verbliebe. Es ist also billiger, daß auch der nicht als
Urheber zu Erweisende schon wegen seiner schuldhaften Einmischung
in die gemeinschaftlichen Händel ebenso wie der dolose Urheber ge
straft werde, als daß gar Niemand Strafe erleide. (Möglich, daß
jener positive Rechtsgrundsatz noch einer Fortbildung fähig ist, allein
diese Ausbildung hätte generell in dem für mehrere einzelne Fälle
maßgebenden Prinzipe zu erfolgen, nicht in einem speciellen Falle).