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daß das heutige Recht durch neuere Rechtsverhältnisse sich
erweitert, welche das römische Recht nicht durch seine Re
geln normiren wollte uitb konnte, — und andererseits,
daß das römische Recht, soweit es reeipirt wurde, manche
singuläre Rechtsregeln umschließt, welche auf die selbst
ständigen, einheimischen Institute wegen Verschiedenheit
der aus beiden Seiten obwaltenden Rechtsverhältnisse nicht
analog übertragbar sind.
Y) Diesen beiden ebenerwähnten Extremen gegenüber
hat die neueste Jurisprudenz hervorgehoben, wie das rö
mische Civilrecht in Folge seiner Reception in Deutschland
durch die neben demselben fortbestehenden Bestandtheile
des einheimischen Privatrechts nicht blos in einzelnen
Rechtssätzen abgeändert und ergänzt wird, sondern wie
nothwendigerweise diese Abänderungen auf das Ganze des
Rechts zurückwirken, wie mit jenen einzelnen Verände
rungen zugleich auch die o b e r st e n R e g e l n 1 °) (und con-
sequent das ganze System) des römischen Rechts modi-
ficirt erscheinen.
Ohne Zweifel liegt in dieser dritten Meinung eine rich
tige Mitte. Schon folgende allgemeine Gründe würden zu
einer solchen Annahme führen. — Die heutige deutsche
Rechtswissenschaft erkennt in Bezug auf das Civilrecht im
Allgemeinen das Bestehen eines einheitlichen gemeinen Rechts
in Deutschland fast ausnahmslos an 10 11 ), welches sowohl
10) Ihering in den Jahrbüchern für die Dogmatik des heut,
röm. und deutsch. Privatr. von Gerber und Jhering Bd., I S. 42 ff.
11) Bruns in der Encyklopädie vonErsch und Gruber Thl. 57,
S. 208 ff 8. v. gemeines Recht. — Bekker: Jahrb des gern, d
R. von Bekker und Wucher Bd. l, S. 2 ff.