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Zieht man hieraus die nothwendigen Schlüsse, so be-
dars das heutige gemeine Recht in Folge des Hinzutretens
selbstständiger deutscher Institute zum gemeinen römischen
Rechte folgender neuer Rechtsbestandtheile:
1) neue Bestimmungen im Einzelnen, d. i. eine
neuerliche Feststellung von Rechtsregeln (Prinzipien und
Rechtssätzen), unter welche auch die einheimischen Insti
tute des gem. Rechts direkt subsumirt werden können:
weil solche einzelne Bestimmungen zur Zeit nahezu völlig
fehlen;
2) im Ganzen aber bedarf das heutige gem. R.
ein völlig neues System. Denn die aufzustellenden ein
zelnen Regeln werden neue natürliche Verwandschaften
und organische Verbindungen eingehen; der Theil des rö
mischen Rechts, der durch einheimisches Recht zerstört ist,
wird in dem heutigen Zusammenhange wieder aufzubauen,
die neu hinzugekommenen Regeln des deutschen Rechts
werden organisch mit dem bisherigen römischen Rechte zu
verbinden sein.
So rechtfertigt schon der bisher angeführte Eine
Grund ein neues System des heutigen gem. Rechts, dessen
einzelne Bestimmungen selbst positives Recht sind. —
Ebenso, wie aus dem Gedanken des bisherigen positiven
Rechts aber würde sich die Nothwendigkeit dieses neuen
Systems zum Theil aus den positiven Rechtsbestim
mungen über Analogie begründen lassen: dadurch, daß
das heutige Recht die Anwendung der Analogie vorschreibt,
setzt dasselbe nothwendigerweise zugleich die Regel voraus,
daß in dem Falle, wo neue Verhältnisse eintreten, das
bisherige Recht nicht als direkt maßgebend zu erachten