Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Neue Bahnen und neue Aufgaben. 
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keit der einzelnen Formationen. Während die Karte der Talformen und die hypothetische 
Karte der Ausgestaltung der Oberfläche klare kartographische Bilder sind, kann man 
es von der Bodenkarte nicht behaupten, die offenbar an Überfülle des Gegebenen 
leidet. 
37. Die Entwicklung der morphologischen Karte durch Gehne. Das Originellste, 
was bisher auf dem Gebiete morphologischer Karten vorliegt, ist die „geomorpho- 
logische Karte der Umgebung vonThale“ in 1: 50000 1 von Hans Gehne, einem Schüler 
von A. Philippson. Dreierlei Anforderungen richtet Gehne an eine morphologische 
Karte, sie muß morphographisch, geologisch und morphologisch sein. 1 2 Die erstere ver 
langt eine gute Wiedergabe der Formen, insonderheit auch deren Höhenverhältnisse, 
die zweite den geologischen Aufbau nach morphologischen Gesichtspunkten schemati 
siert, wobei die Petrographie und das Alter in Faltengebieten wegen der tektonischen 
Schlüsse zu beachten ist, und die dritte die Altersbestimmung und Alterszusammen 
gehörigkeit der Formen. Daraus erkennen wir, daß Gehne ganz ähnliche Gedanken 
vorschweben, wie sie Passarge ausführlicher entwickelt hat. Beide sind unabhängig 
voneinander fast auf gleiche Ideen gekommen, die sie jedoch in verschiedener Weise 
kartographisch niedergelegt haben. Was Passarge auf mehrere Karten verteilt, ver 
sucht Gehne in ein einziges Kartenbild zu bannen. 
Das Charakteristische und Eigenartige der neuen Methode geomorphologischer 
Kartendarstellung von Gehne ist: Wiedergabe geomorphologischer Erscheinungen 
auf Grundlage einer Höhenkurvenkarte in farbigen Schraffen, wobei jede Farbe 
einen morphologisch gleichwertigen Schichtenkomplex, bzw. einen bestimmten geo 
logischen Horizont vertritt. Mit der gleichen Farbe wird außerdem die Alter 
zusammengehörigkeit der Teile veranschaulicht. So kommen bei dieser farbigen 
Schraffenmanier die Schichten nur an Böschungen zur Geltung, was morphologisch 
ganz richtig ist, denn die Gesteine, die keine Geländeunterschiede bewirken, sind morpho 
logisch belanglos. Mithin wollen die Schraffen bei Gehne lediglich den innern Bau des 
Geländes versinnbildlichen, sie sind keine Böschungsschraffen mehr im Sinne von 
Lehmann, sondern sie werden bezüglich ihrer Dicke und Dichte nach dem Gefühl 
gezeichnet, um zu verhindern, daß durch die verschiedenen Farben, die für ein topo 
graphisch gleiches Gebilde bestimmt sind, ein falsches plastisches Bild erweckt wird. 
Um ungewollte Differenzen in den Böschungswinkeln zu vermeiden, hat Gehne ferner 
den Helligkeitswert der Farben untereinander abgestimmt. Überall, wo wir in das 
Kartenbild hineinleuchten, sehen wir das tiefe Durchdenken der ganzen kartographisch 
darzustellenden Materie. Gleichfalls ist es ein guter Gedanke von Gehne, die Farbe 
der Schraffen nach der gebräuchlichen Skala der geologischen Karten zu geben. Dadurch 
erweckt die Karte von vornherein Vertrauen, eine lange Legende wird überflüssig und 
jeder Kundige ist schnell im Bilde. Und dennoch läßt sich die Methode Gehnes nicht 
überall gleichgut anwenden. Dort, wo die Gesteine nicht so wie im Harze formbildend 
sind, wie z. B. Schiefer und Grauwacke im Rheinischen Schiefergebirge, geht die 
1 Separatabdruck aus d. Archiv f. Landes- und Volkskunde der Provinz Sachsen nebst an 
grenzenden Landesstrichen. Mitt. d. Sachs.-Thüring. Vereins f. Erdkde. zu Halle a. S. 1912. — Die 
Studien Gehnes gehen zurück auf dessen Dissertation: Beiträge zur Morphologie des östlichen Harzes. 
Halle 1911. 
2 H. Gehne: Eine neue Methode geomorphologischer Kartendarstellung. P. M. 1912. JT. 
S. 72, 73. 
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